Bullet Catcher: Wade (German Edition)
sich aufzustehen und die Sachen zu packen, die sie in Vanessas Kabine mitgebracht hatte. Sie würde bis zum letztmöglichen Moment warten, um in ihre eigene Kabine zurückzugehen. Was, wenn der Kerl dort auf sie wartete und ihr wieder Gewalt antun wollte?
Sie öffnete die Türen des kleinen Schranks und betrachtete die wenigen Sachen, die Vanessa nicht mitgenommen hatte. Auch in der Kommode lagen noch ein paar Dinge und im Badezimmer. Die Schifffahrtsgesellschaft würde die Kabine sicherlich ausräumen – aber was würde dann mit Vanessas Habe passieren?
Stella fand Vanessas Koffer, legte ihn offen auf das Bett und fing an, die Sachen einzupacken. Als sie Unterwäsche in das Seitenfach stopfte, fühlte sie eine Zeitschrift, die sie neugierig herauszog. Was hatte Vanessa wohl für Lesegewohnheiten?
Aber es war keine Zeitschrift, sondern eine Hochglanzbroschüre mit hellem, edel schimmerndem Cover in Gold, mit hervorgehobenen schwarzen Lettern: Razor Partners LLC . Alternative Asset Management .
Was auch immer dieses Finanzgeschwafel bedeuten sollte. Saul hatte ihr Geld immer bei der Bank aufbewahrt, und da hatte es sich bestens entwickelt. Sie blätterte ein paar Seiten um, überflog Begriffe wie »Mezzanine-Fonds« oder »Beratung bei Finanzrestrukturierungen«. Eine der letzten Seiten trug die Überschrift »Ihre Partner« und zeigte ein Foto von dem silberhaarigen Herrn, nach dem die Firma benannt war.
Sie blätterte weiter, um sich die anderen Fotos und Kurzbiografien anzusehen und beeilte sich, bis »P« zu kommen, um Vanessa zu finden.
Und da war sie – mit ihrem langen blonden Haar und der kantigen, schwarz gerandeten Brille. Ein hübsches Ding mit scharfen Zügen, fein modellierter Nase und breitem Lächeln. Stella hatte sie vom ersten Moment an gemocht. Sie hatte in der jungen Frau, die sich so schwer tat, eine Umarmung zu erwidern, eine innere Stärke entdeckt, die sie von sich selbst kannte. Als sie wahllos weiter durch die Broschüre blätterte, fiel ihr ein anderes Foto ins Auge.
Clive Easterbrook?
Unmöglich. Das war doch Jason! Das war der Mann, mit dem sie getanzt hatte und der gestern Abend weggerannt war, als sie ihn rufen sollte. Der Mann, den irgendjemand so verzweifelt haben wollte, dass er Stella mit einer Waffe bedrohte.
Ihr Instinkt hatte sie also nicht getrogen: Er hatte tatsächlich nach Vanessa gesucht. Kein Wunder, dass sie ihm vor deren Kabine in die Arme gelaufen war. Aber wenn er nach Vanessa suchte … dann konnte Vanessa ihn noch nicht gefunden haben.
Sie musste zum Kai. Unbedingt. Das hatte sie versprochen. Stella riss die letzten Kleider von den Bügeln, leerte die Kommodenschubladen und wischte die Sachen, die auf der Ablage im Bad standen, mit einem Schwung in die Kosmetiktasche. Dann sah sie sich noch einmal kurz im Raum um, nahm Koffer und Tasche und stieß die Tür auf.
Niemand zu sehen.
Unten in ihrer billigeren Kabine packte sie ihre eigenen Sachen zusammen, sprach Vanessa noch einmal auf die Mailbox, versteckte ihre ungewaschenen Haare unter ihrem Sonnenhut und ging dann auf das Deck, von dem die Transferboote ablegten. Unterwegs begegneten ihr lauter bekannte, freundliche Gesichter; sie hatte jede Gelegenheit genutzt, um Freundschaften zu schließen. Nur Jason – oder Clive – war nicht zu sehen.
Wie war er überhaupt an Bord gelangt? Die Crew hätte ihn ja kennen müssen. Andererseits war er zuvor schon einmal auf dem Schiff mitgefahren, vielleicht hatten sie ihn deshalb in irgendeinem Hafen zusteigen lassen.
Sie nahm das nächste Boot, und während sie mit den anderen Passagieren über Belanglosigkeiten plauderte, suchte sie mit den Augen die Decks nach seinem Gesicht ab.
Nachdem das Boot angelegt hatte, ließ sie sich an Land helfen. Ihr eigenes und Vanessas Gepäck in der Hand, stand sie auf den breiten Holzplanken am Eingang des Hafens von St. Gustavia und blinzelte in die Sonne, die die bis zum Fuß des Hügels reichenden rosa und pfirsichfarbenen Häuser mit goldenem Firnis überzog.
Sie zog die Koffer am Kai entlang und ließ ihren Blick prüfend über die Menschenmassen streifen. Nach dem Anlegen zweier großer Kreuzfahrtschiffe, die ihre Passagiere zu Landgängen entlassen hatten, und des Großseglers, auf dem sie gekommen war, der Valhalla , war die Stadt überfüllt mit Touristen.
Aber von einer großen Blondine mit Hornbrille war nichts zu sehen. Auch nicht von einem hochgewachsenen, dünnen Charmeur mit schütterem Haar.
Seufzend holte sie
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