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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Bitte einfiel. Das Vitamin B für den kränkelnden Neffen! So sehr eilte das nicht. Wenn einer zu warten gelernt hatte, dann Adrian.
    Ich blätterte eine Weile durch das Forum der Protestler, bevor ich mich ebenfalls anmeldete. Unter dem Pseudonym »Kerwegroschen« behauptete ich, voll und ganz hinter der Aktion zu stehen   –   »wurde ja auch Zeit!« –, und erklärte meine Bereitschaft, nächstes Mal dabei zu sein. Mit oder ohne Bömpchen. Man solle mir signalisieren, wann es wieder losginge.
    Als ich die Botschaft losschickte, empfand ich leises Bedauern darüber, dass mein allererster Foreneintrag überhaupt aus so einem Stuss bestehen musste. Aber wenn es der Beruf verlangte!
    Das Telefon läutete. Ich hob ab und hörte ein unverständliches Zischen.
    »Hallo?«
    »Koschak«, flüsterte es.
    Die Kellerassel, sieh an. »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ich brauche Ihre Hilfe. Dringend!«
    Sein Genuschel war wirklich kaum zu verstehen. Dafür hörte ich deutlich Verkehrsgeräusche im Hintergrund. »Wo sind Sie?«
    »In Heidelberg, ganz in Ihrer Nähe. Ich brauche einen Unterschlupf für eine Nacht. Können Sie mir helfen?«
    »Wir haben einen großen Keller, wenn Sie das meinen.«
    »Egal. Hauptsache, sicher. Wer ist wir?«
    »Meine Ex-Frau. Sie wird sich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    Er zögerte. »Ich dachte, Sie leben allein. Haben Sie auch Kinder oder so was?«
    »Was heißt das: so was?«
    »Kinder halt.«
    »Nö.«
    »Es muss nicht bei Ihnen im Haus sein. Vielleicht wissen Sie von einem Gartenhäuschen oder einer leerstehenden Wohnung.«
    »Eine leerstehende Wohnung in Heidelberg? Sie haben Vorstellungen, Herr Koschak! Erklären Sie mir lieber, was Sie im Schilde führen.«
    »Morgen Abend ist die Übergabe.«
    »Die Übergabe der Dokumente?«
    »Ja. Alles Weitere unter vier Augen. Bitte, Herr Koller, bringen Sie mich irgendwo unter, ich will nicht ins Hotel.«
    »Wegen der anderen Geschichte? Weil Sie sich verfolgt fühlen?«
    »Nicht gerade verfolgt. Ich will bloß kein Risiko eingehen.«
    »Ach, und wie groß ist das Risiko für einen, der Sie aufnimmt?«
    »Minimal. Wenn ich das Gefühl hätte, Sie in Gefahr zu bringen, hätte ich Sie gar nicht erst angerufen. Mir ist wichtig, die Nacht an einem Ort zu verbringen, wo mich keiner vermutet. Außerdem, Sie wollten doch dabei sein, wenn die Übergabe stattfindet.«
    Ich überlegte. Der Gedanke, Koschak im Haus zu haben, gefiel mir überhaupt nicht. Aber er hatte recht, ich wollte Zeuge der Übergabe sein, da musste ich ihm wohl entgegenkommen. »Wie wärs mit einer Einzimmerwohnung parterre?«, schlug ich vor, mich umsehend. »Inklusive Feldbett, Waschbecken und einem Heizöfchen, wie Sie es von zuhause kennen. Mein Büro, hier bei uns im Hof. Es riecht noch ein wenig nach den Vormietern, dafür sind Sie absolut ungestört.«
    »Nehme ich.«
    »Und dann verraten Sie mir die Einzelheiten der Übergabe.«
    »Gerne. In genau einer Minute stehe ich vor Ihrer Haustür. Warten Sie nicht auf ein Klingeln, sondern öffnen Sie einfach.«
    Er legte auf. Eine Minute? Wahrscheinlich hatte er das Gespräch von der Straßenseite gegenüber geführt, in seinem Wagen, tief in den Sitz gedrückt. Ich stellte den Heizofen auf höchste Stufe, fuhr den PC herunter und verließ das Büro.
    Unsere Hofeinfahrt wird von einem großen Holztor zur Straße hin abgeschlossen. Nach kurzer Wartezeit öffnete ich die darin eingelassene Tür. Der abendliche Verkehr auf der Bergheimer Straße floss ruhig. Ich sah nach rechts und links   –   nichts. Eine Mutter und ihr Kind, beide per Rad, beide behelmt, fuhren gerade über den beleuchteten Zebrastreifen. Plötzlich schälte sich ein Schatten aus der Lücke zwischen zwei parkenden Autos und huschte auf mich zu. Trotz seiner tief ins Gesicht gezogenen Mütze erkannte ich Koschak. Er trug einen Koffer sowie einen kleinen Rucksack.
    »Danke!«, flüsterte er und schlüpfte an mir vorbei in die Einfahrt   –   nicht ohne sich auf der Schwelle zu vergewissern, dass ihm niemand folgte.
    Auch ich ließ meine Blicke die Straße auf- und abwandern. Nichts Verdächtiges zu sehen. Wenn es doch einen gab, der hinter dem Journalisten her war, dann hatte er ausreichend Möglichkeiten, sich zu verstecken. In einem Hauseingang, hinter parkenden Autos, im Schatten der Straßenbahnhaltestelle. Es war ein Risiko, Koschak aufzunehmen. Hoffentlich bereute ich es nicht.
    Als ich die Tür schloss, zog er die Mütze ab und klopfte grinsend

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