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Byzanz

Byzanz

Titel: Byzanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fleming
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Menschen künftig zu benutzen.
    »Würden wir dann nicht im Paradies leben?«, wandte Alexios ein.
    »Ja, im Paradies auf Erden.«
    »Wenn Gott das so gewollt hätte, hätte er es auch so eingerichtet.«
    »Aber vielleicht konnte er es auch nicht einrichten.«
    Alexios staunte. »Es widerspricht der Definition Gottes, dass er etwas nicht kann. Gott kann alles.«
    »Im Umkehrschluss heißt das: Wenn niemand existiert, der alles kann, dann gibt es auch Gott nicht.«
    Der Fürst erblasste. »Willst du damit sagen, dass Gott nicht existiert, dass es ihn nicht gibt?«, flüsterte er, als habe er Angst, diese Frage zu stellen, weil er zugleich die Antwort fürchtete.
    »So wenig ich weiß, dass es Gott gibt, so wenig weiß ich auch, dass es ihn nicht gibt.«
    »Du glaubst also nicht an Gott?«
    »Das ist es ja eben! Ich kann nur glauben, dass er existiert, aber es nicht wissen. Wenn er doch aber so mächtig wäre, wie es heißt, dann könnte ich gar nicht anders, als von seiner Existenz zu wissen und eben nicht nur an sie zu glauben. Es gehört schließlich zum Wesen der Macht, dass ihre Wirklichkeit für alle sichtbar und spürbar ist, wie ein Sturm oder ein Gewitter sichtbar und spürbar ist oder eine Armee oder das Schwert des Henkers, das auf den Nacken des Verurteilten niedersaust. Es ist die Tatsache des Sterbens, die uns an Gott glauben lässt. Aber sieh doch, wie verräterisch das ist! Weil wir eines Tages in den Tod gehen werden, in den Zustand der Unwirklichkeit, erklären wir etwas Unwirkliches zur Realität in der Hoffnung, dadurch dieser Unwirklichkeit zu entgehen. Da wir zur Unwirklichkeit verdammt sind, basteln wir uns aus dieser Unwirklichkeit eine neue Wirklichkeit. Deshalb will ich den Stein der Weisen finden, der das ewige Leben bringt. An dem Tag, an dem wir ewig leben, stirbt Gott.«
    Alexios schwindelte. Auch wenn er nicht besonders fromm war, so stellte die Existenz Gottes für ihn eine unwiderlegbare Tatsache dar. »Gott ist ewig, denn er ist der Grund für das Gute«, hielt er gegen.
    Diese Frau erschreckte ihn, und sie redete sich langsam in Rage. Ihre Wangen begannen zu glühen. »Was ist das für ein Gott, der den Menschen dabei zuschaut, wenn sie sich um seinetwillen in Böhmen die Köpfe einhauen? Und nur, weil sie sich nicht einigen können, ob beim Abendmahl einzig die Priester oder alle Gläubigen den Kelch reichen dürfen? Was ist das für ein Gott, der seinen Sohn ungerührt qualvoll am Kreuz sterben lässt? Wie kann er gut und barmherzig sein, was seiner Definition entspricht, wenn jeder in seinem Namen alles, sogar den größten Unfug verkünden darf? Denk doch nur einmal wachen Verstandes über den ganzen Schabernack nach. In der Kirche geht es schlimmer zu als auf dem Jahrmarkt, und der allergrößte Possenreißer steht auf der Kanzel! Die größten Ungereimtheiten werden mit ernster Miene vorgetragen: Eine Jungfrau gebiert ein Kind. Wo hat man das je erlebt? Der Geist, der das Kind zeugte, war so heilig wie du. Oder: Eins ist gleich drei. ›Gezeugt, nicht geschaffen‹ – welch Unfug. Gezeugt mit sich selbst, oder wie muss ich mir das vorstellen?«
    »Gibt es eigentlich etwas, woran du glaubst?«, fragte er mit einem Schaudern in der Stimme.
    »An deine Manneskraft glaube ich und daran, dass wir die Geheimnisse der Welt erkunden können und dass wir unsere Zeit nicht mit Spekulationen über Dinge vergeuden sollten, die wir ohnehin niemals beweisen können. Das Leben flieht, Alexios, und wir werden bald schon alte Leute sein, wenn wir nichts dagegen tun.«
    An diesem Abend liebten sie sich ohne Pause bis zum anderen Morgen, weil sie zu vergessen suchten – er das, was sie gesagt hatte, sie die Endlichkeit des Seins. Die alles Denken auslöschende Lust sollte sie über die Grenzen dieser Welt hinaustragen. Als ob sie eine Ahnung überkam, sagte Barbara zum Abschied bei Sonnenaufgang: »Es wird nicht dauern, es kann nicht dauern! Es wäre zu schön. Wie kann Schönheit aber bleiben?«
    Am Abend wartete er vergebens auf sie. Auch Clara, die er ins Kastell schickte, kehrte nicht zurück. Die Nacht verbrachte er in wachsender Unruhe. Er rang mit sich, ob er im Kastell nach dem Rechten schauen sollte, und befürchtete, dass etwas passiert sein könnte, doch zwang er sich zur Geduld. Geduld, so hatte er es ja erfahren, lautete seine Lektion. Die Stunden klebten auf der Stelle wie Fliegen auf einem Honigblatt.
    Schließlich erschien die Zofe am Nachmittag, um ihm auszurichten, dass er im

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