Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
Vom Netzwerk:
noch die Kinder trugen Schuhe und ihre Kleider waren nur noch Lumpen, die ihre dünnen Körper kaum bedeckten. Schmutzig, hungrig und zitternd standen sie auf der unbeleuchteten Straße und zogen an der große Türglocke des Arbeitshauses.
    Die Kinder waren zunächst nicht unglücklich, denn es kam ihnen wie ein kleines Abenteuer vor, sich mitten in der Nacht durch die dunklen Straßen davonzumachen. Nur ihre Mutter weinte, denn sie kannte die schreckliche Wahrheit: dass die Familie getrennt würde, sobald sie das Tor des Arbeitshauses passiert hatte. Sie brachte es nicht über sich, es den Kindern zu sagen, und zögerte, bevor sie die schicksalhafte Glocke läutete. Doch ihr Jüngster, ein knapp dreijähriger Junge, begann zu husten und so zog sie entschlossen an dem Klingelzug.
    Der Glockenton hallte durch das steinerne Haus, ein dünner, grauer Mann öffnete die Tür und fragte: »Was wollt ihr?«
    »Unterkunft und etwas zu essen für die Kleinen.«
    »Dann müsst ihr mit ins Aufnahmezimmer. Dort könnt ihr bis morgen schlafen, es sei denn, ihr seid ›Durchgangsfälle‹, dann müsst ihr zum Zentrum für Durchgänger. Essen gibt es erst wieder morgen früh.«
    »Nein, wir sind keine Durchgänger«, sagte sie erschöpft.
    Sie waren in dieser Nacht die einzigen im Aufnahmezimmer. Das Schlafpodest, eine erhöhte Holzkonstruktion, war mit frischem Stroh bedeckt und sah einladend aus. Sie kuschelten sich im wohlriechenden Stroh zusammen und die Kinder schliefen sofort ein. Nur die Mutter lag bis zum Morgen wach, den Arm um ihre Kinder gelegt. Es brach ihr das Herz. Sie wusste, es war das letzte Mal, dass sie bei ihren Kindern schlafen durfte.
    Die Geräusche des anbrechenden Morgens, Schlüssel im Schloss und das Öffnen von Türen, waren schon lange zu hören gewesen, als jemand das Aufnahmezimmer aufschloss. Schließlich trat die Vorsteherin ein. Sie war eine resolute Frau, nicht unfreundlich, aber sie hatte schon zu viele Arme gesehen, um sich zu Gefühlen hinreißen zu lassen. Sie nahm ihre Namen auf und befahl ihnen knapp, ihr ins Waschhaus zu folgen, wo sie ausgezogen und angewiesen wurden, sich am ganzen Körper an flachen Steintrögen mit kaltem Wasser zu waschen. Ihre dürftigen Kleider wurden weggebracht, sie erhielten die Uniformkleidung des Arbeitshauses. Sie bestand aus grobem grauen Wollstoff mit einem Einheitsschnitt für fast alle Größen. Es gab verschiedenste Sorten von Schuhen, die nicht zueinander passten. Unterwäsche gab es nicht, doch das kümmerte sie wenig, denn sie waren nicht daran gewöhnt, Unterhemden oder -hosen zu tragen, selbst bei kältesten Temperaturen nicht. Dann wurden ihnen die Köpfe rasiert. Die Jungen fanden es lustig, sie kicherten, zeigten auf die Mädchen und bissen sich in die Fäuste, um nicht laut loszulachen. Mrs Jenkins musste nicht rasiert werden, denn sie trug kein Haar mehr auf dem Kopf, da sie es wenige Wochen zuvor verkauft hatte. Sie bekam eine Mütze, um ihren kahlen Kopf zu bedecken. Schüchtern fragte sie, ob es nicht etwas zu essen für die Kleinen gäbe, aber man sagte, es sei zu spät für das Frühstück, um zwölf Uhr gebe es Mittagessen.
    Dann wurden sie zur Einteilung in das Büro des Vorstehers gebracht. Alle fürchteten diesen Moment, auch der Vorsteher und die Vorsteherin. Vier starke Insassen kamen hinzu, um die Kinder wegzubringen. Mrs Jenkins hatte sich eingeredet, es würde für die Kleineren nicht allzu schlimm sein, sie seien ja schließlich alle bei Rosie, die auch auf sie aufgepasst hatte, als sie selbst arbeiten gegangen war. Aber so kam es nicht.
    Der Vorsteher betrachtete die Kleinen. »Alter?«, fragte er.
    »Zwei, vier und fünf«, flüsterte sie.
    »Bringt sie in den Kinderbereich. Und der ältere Junge? Wie alt ist der?«
    »Neun.«
    »Er kommt in den Jungenbereich. Das Mädchen?«, fragte er und zeigte auf Rosie.
    »Zehn.«
    »Ab in den Mädchenbereich!«, befahl er.
    Grobe Hände griffen nach den Kindern. Der Vorsteher drehte sich um und verließ den Raum. Was nun folgte, sah er sich nicht an. Als er hinausging, bellte er die Helfer an: »Macht genau, was euch gesagt wurde. Ihr kennt die Regeln.«
    Mrs Jenkins konnte weder Schwester Evangelina noch mir Genaueres über die Trennung berichten. Es war zu schrecklich, um darüber zu reden. Die schreienden Kinder wurden weggebracht, und sie wurde in die Abteilung für Frauen geführt. Mächtige Türen schlossen sich hinter ihr und Schlüssel drehten sich im Schloss. Sie hörte Kinder

Weitere Kostenlose Bücher