Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
vorsingen, wenn ich ihr das Heilmittel bringe.
»Es wird Zeit, dich ein wenig auszuruhen.« Rebecca drückt mir ein Stück in Tuch gewickeltes Fladenbrot in die Hand. Das Brot ist noch warm, und schon der Duft allein verursacht mir Magenknurren. Hier bereiten sie ihr Essen selbst zu. Wie das wohl wäre? Wenn ich genügend Zeit hätte, auch das zu lernen? »Hier«, sagt Rebecca und reicht mir noch eine Thermosflasche. »Du solltest essen, während du bei ihm bist.«
Sie weiß natürlich, wohin ich gehe.
Auf dem Weg zur Krankenstation atme ich die Waldluft tief ein. Wildblumen wachsen überall am Wegesrand, violett, rot, blau und gelb. Wolken in beeindruckendem, unerwartet kräftigem Rosa ziehen am Himmel über die Bäume und die Berggipfel hinweg. In dem Moment erfüllt mich die tiefe Überzeugung, dass wir ein Heilmittel finden werden. So deutlich habe ich es noch nie gespürt.
In der Krankenstation setze ich mich an Kys Bett, sehe ihn an und berühre seine Hand.
Die Opfer der Seuche schließen ihre Augen nicht. Ich wünschte, sie täten es. Kys Augen blicken leer und grau, und es fehlen die blauen und grünen Reflexe, die ich in ihnen gesehen habe. Ich lege ihm die Hand auf die Stirn und ertaste die glatte Haut und die Knochenstruktur darunter. Er fühlt sich heiß an. Ob er Fieber hat? »Er sieht nicht gut aus«, teile ich einer der diensthabenden Medics mit. »Sein Infusionsbeutel ist leer. Ist vielleicht der Tropf zu weit aufgedreht gewesen?«
Sie sieht in ihren Unterlagen nach. »Der Beutel dieses Patienten müsste eigentlich noch halbvoll sein.«
Ich weiche Ky nicht von der Seite. Die Medic steht auf und holt einen neuen Infusionsbeutel. Sie wirkt gestresst. Nur zwei Medics sind gerade im Dienst. Ich frage, ob sie in der Station noch Hilfe gebrauchen können.
»Nein«, lehnt sie brüsk ab. »Leyna und Oker haben angeordnet, dass nur ausgebildete Medics die Versunkenen versorgen dürfen.«
Als sie die Infusion gewechselt hat, bleibe ich neben Ky sitzen und lege meine Hände auf seine. Ich denke daran, wie lebendig er auf dem Hügel und in den Canyons gewesen ist und für kurze Zeit auch in den Bergen. Und dann war er plötzlich weg. Wie lange ich damals, als ich frisch verliebt in ihn war, über seine Augenfarbe gerätselt habe! Ich fand ihn unberechenbar und schwer einzuschätzen. Er passte in keine Schublade.
Die Tür wird geöffnet, und ich drehe mich um, in der Erwartung, wieder zur Arbeit gerufen zu werden. Aber ich will noch nicht gehen. Seltsam: Während ich die Daten sortiere, hat diese Aufgabe für mich oberste Priorität. Wenn ich hier bin, habe ich dagegen das Gefühl, unbedingt bei Ky bleiben zu müssen.
Doch es ist niemand aus dem Forschungslabor. Es ist Anna.
»Darf ich reinkommen?«, fragt sie. Nachdem sie sich die Hände gewaschen und die Schutzmaske angelegt hat, gesellt sie sich zu mir. Ich stehe auf, um ihr meinen Stuhl anzubieten, doch sie schüttelt den Kopf und setzt sich auf den Boden neben das Bett. Es ist ein komisches Gefühl, auf sie hinunterzublicken.
»Das ist also Ky«, sagt sie und betrachtet ihn. Er liegt auf der Seite. Sie sieht ihm in die Augen und berührt seine Hand. »Eli möchte ihn gerne besuchen. Hältst du das für eine gute Idee?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Einerseits würde Ky dann noch eine andere Stimme außer meiner hören, die zu ihm spricht, die ihn zurückruft, andererseits befürchte ich, Eli könnte schockiert sein. »Sie kennen ihn besser als ich.« Es fällt mir schwer, das auszusprechen, aber natürlich stimmt es. Ich habe Eli nur wenige Tage begleitet, sie dagegen kennt ihn schon seit Monaten.
»Eli hat mir erzählt, dass Kys Vater ein Händler war«, sagt Anna. »Eli wusste seinen Namen nicht, aber er hat sich daran erinnert, dass Ky ihm erzählt hat, sein Vater habe in unserem Dorf schreiben gelernt.«
»Das stimmt«, bestätige ich. »Können Sie sich an ihn erinnern?«
»Natürlich«, antwortet Anna. »Wie könnte ich ihn vergessen? Sein Name war Sione Finnow. Ich habe ihm geholfen, seinen Namen schreiben zu lernen. Obwohl er natürlich zuerst den Namen seiner Frau lernen wollte.« Sie lächelt. »Er hat für sie Geschenke erworben, wann immer er konnte, sogar Pinsel, obwohl er sich keine Farbe leisten konnte.«
Ob Ky mithören kann?
»Auch an Ky hat er bei seinen Geschäften gedacht«, fährt Anna fort.
»Wie meinen Sie das?«
»Manche Händler haben mit den Abenteurerpiloten zusammengearbeitet«, fährt Anna fort. »Mit
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