Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
mit dem Lebendvirus in Kontakt kamen. Diese beiden Gruppen musst du in deine Berechnungen mit einbeziehen.«
»Gut«, sage ich. Anschließend muss ich, wie schon oft, beim Sortieren der Daten jeden Gedanken an Ky ausblenden. Für einen flüchtigen Augenblick hätte ich am liebsten diese unmögliche Aufgabe hinter mir gelassen und den Zahlen erlaubt zu wandern, wohin sie wollten. Stattdessen wäre ich hinüber in das kleine Zimmer gegangen, in dem Ky liegt, und hätte ihn im Arm gehalten. Nachdem wir die Canyons durchquert haben, sind wir jetzt in den Bergen gelandet.
So kann’s gehen , sage ich mir. Nur noch ein kleines Stück, dann haben wir es geschafft. Wie bei der Reise, die in dem Gedicht Dich hab ich nicht erreicht beschrieben wird:
Wir schreiten leicht, wie Schnee wir stehen,
die Wasser murmeln leis.
Flüsse, Wüsten, Berg und Meer
sind von uns durchlaufen.
Doch Tod entreißt mir meinen Preis,
Dich schauend, er gewinnt.
Die letzten beiden Zeilen werde ich korrigieren. Der Tod wird mir nicht die Menschen entreißen, die ich liebe. Unsere Reise wird anders enden.
Ich brauche lange, weil ich alles richtig machen will.
»Fertig?«, fragt Rebecca leise.
Stumm starre ich auf das Ergebnis, zu dem ich gekommen bin. Damals in den Canyons habe ich mir gewünscht, mit Leuten zusammen zu sein und zu arbeiten, die am Rand der Gesellschaft lebten. Doch wir haben nur ein verlassenes Dorf an einem idyllischen Fleck gefunden, in dem nichts als papierne Zeugnisse der einstigen Bewohner zurückgeblieben waren – hinterlassene Schätze.
Ständig kämpfen wir dagegen an, still zu gehen, gelassen zu gehen.
»Ja«, beantworte ich Rebeccas Frage.
»Und?«, fragt sie weiter. »Wie lange noch, bis sie die Patienten sterben lassen?«
»Sie haben schon damit begonnen.«
Kapitel 29
Ky
Jemand kommt herein, ich höre, wie die Tür geöffnet wird und sich Schritte nähern.
Ob es Cassia ist?
Nein, diesmal nicht. Der Besuch riecht nicht nach Blumen und Papier, wie Cassia, sondern nach Schweiß und Rauch. Auch sein Atem klingt anders. Tiefer, lauter, wie nach einem schnellen Lauf.
Ich höre, wie die Person nach dem Infusionsbeutel greift.
Aber ich brauche keine neue Lösung. Der Beutel wurde eben erst erneuert. Wo sind die anderen? Wissen sie, was geschieht?
Ich spüre einen Ruck an meinem Arm. Der Besucher hat den Beutel abgehängt und leert ihn aus. Die Lösung tropft in ein Gefäß, einen Eimer vielleicht, anstatt in meinen Arm.
Ich werde zum Fenster gedreht, so dass das Klappern der Scheiben im Wind lauter wird.
Geschieht das mit allen? Oder nur mit mir? Will jemand sichergehen, dass ich nicht wieder aufwache?
Ich höre, wie mein Herzschlag sich verlangsamt.
Ich sinke tiefer weg.
Die Schmerzen ebben ab.
Es fällt mir schwerer, das Atmen nicht zu vergessen. Um im Rhythmus zu bleiben, wiederhole ich in Gedanken Cassias Gedicht.
Neo. Rosen. Alte. Rosen. Spitzen. Weiß. Und. Fein.
Ein. Aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein.
Aus.
Kapitel 30
Xander
Ich muss eingeschlafen sein, denn ich fahre erschrocken zusammen, als die Gefängnistür geöffnet wird. »Hol ihn raus«, sagt jemand zu der Wache, und Oker erscheint vor meiner Zelle. Die Wache schließt auf. »Du!«, sagt Oker. »Es wird Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen!«
Ich werfe einen Blick zur Zelle gegenüber. Cassia ist nicht gekommen. Hat sie die ganze Nacht an Kys Bett gewacht? Oder musste sie durcharbeiten? Die anderen Gefangenen geben keinen Mucks von sich. Ich höre sie atmen, aber sie scheinen zu schlafen.
Draußen ist es noch dunkel, der Morgen dämmert nicht einmal. »Du arbeitest für mich«, knurrt Oker, »also hast du die gleichen Arbeitszeiten wie ich.« Er zeigt auf das Forschungslabor auf der anderen Seite des Weges und sagt: »Das ist mein Reich. Tu, was ich sage, und du kannst den größten Teil des Tages dort verbringen anstatt im Gefängnis.«
Wenn man Leyna als Dorfärztin betrachtet, wäre Oker der Steuermann.
»Befolge meine Anweisungen ganz genau«, sagt er. »Ich brauche nur deine Hände, weil meine mir nicht mehr gehorchen.«
»Oker ist nicht besonders gesellig«, bemerkt der eine, als Oker gegangen ist. »Ich heiße Noah und arbeite schon für Oker, seitdem ich hierhergekommen bin.« Noah sieht aus wie Mitte dreißig. »Das ist Tess«, stellt er mir unsere Kollegin vor.
Tess nickt mir zu. Sie ist etwas jünger als Noah und hat ein nettes Lächeln.
»Ich bin Xander«, sage ich. »Was ist das alles?« Eine Wand des Labors ist mit
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