Cataneo - Der Weg Splendors (German Edition)
Es waren die Augenblicke des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs, in denen die Welt in eine Art Zwielicht tauchte. Das ausgewogene Verhältnis zwischen Licht und Dunkelheit. Der perfekte Zeitpunkt, in denen keiner der beiden göttlichen Geschöpfe zu Staub zerfiel. Und genau das würde bei einer Sonnenfinsternis passieren – ein Zwielicht würde entstehen, in dem die Kreaturen des Lichts und der Dunkelheit nebeneinander existieren konnten, und das für einen recht langen Zeitraum.
Während Xeroi schon bald vor Erschöpfung einschlief, machte sich der Obscura an seine Berechnungen. Er wollte es ganz genau wissen. Failon wollte versuchen, die exakte Dauer des kommenden Blutbades zu bestimmen. Doch es schien vergeblich. Der Obscura hatte keine Daten einer vorangegangenen Sonnenfinsternis. Egal, wie er es drehte und wendete, Genaueres konnte er ohne Hilfsmittel einfach nicht berechnen. Doch er ahnte, wie schlimm es werden würde, selbst wenn dieses Lichtverhältnis nur einige Stunden andauern mochte. Die Welt würde sich in Form von Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Licht und Finsternis gegenüberstehen. Es würde ein Kampf zweier Welten werden, oder treffender ausgedrückt: der Kampf zwischen zwei Göttern. Die Geschichte, die also einst begonnen hatte, würde nun zu Ende geschrieben werden. Aber der Ausgang war ungewiss, und Mut allein würde Failon – wie bisher – nicht helfen können.
DIE ENTSTEHUNG DER GÖTTER
Die Legenden Cataneos gab es schon seit Anbeginn der Zeit. Man erzählte sich vom Ursprung der Monde und der Entstehung der Götter. Es hieß, die Götter wären einst Menschen gewesen und hätten wie alle anderen Völker auf Cataneo gelebt. Einer dieser Götter war Vell und dies ist seine Geschichte:
Während seines Lebens auf Cataneo besaß Vell ein Getreidefeld. Er war Bauer und versorgte bei einer Hungersnot ein ganzes Dorf mit seiner knappen Ernte. Vell war großzügig, gutmütig und hilfsbereit. Er versuchte immer, allen zu helfen und erwartete niemals Dank. Als er starb, kamen viele zum Begräbnis, denen er geholfen hatte.
Im Laufe der Jahre besuchten mehr und mehr Menschen sein Grab und baten um eine reiche Ernte oder Heilung für ihr krankes Vieh. Und als würde er ihre Bitten erhören, fiel die Ernte tatsächlich reicher aus und todgeweihtes Vieh wurde wieder gesund. Die Erzählungen über die Wunder, die der Tote vollbrachte, zogen bald über das ganze Land. Einige behaupteten, er lebte auf dem Braunen Mond, der wie ein Feld aussehe, um den Menschen Cataneos nahe zu sein, wenn sie ihn brauchten. Und so wurde die Schar der Vell-Anhänger, die den Braunen Mond anbeteten, von Jahr zu Jahr größer.
Ebenso erklangen die Geschichten über den Gott Brica in ganz Cataneo, denn er war zeit seines Lebens ein mutiger Mann gewesen, der mit seinem Schwert stets die Schwachen verteidigt hatte. Alles hatte in einem Hinterhof angefangen, in dem Brica als Kind mit einem Holzschwert zu üben begonnen hatte und davon träumte, eines Tages ein starker Ritter und Krieger zu werden. Mit den Jahren machte er sich tatsächlich als Kämpfer der Gerechtigkeit einen Namen. Zu dieser Zeit gab es viele Unruhen in Cataneo. Plündergilden raubten Reisenden bis auf Hemd und Hose alles, was sie dabei hatten. Brica hatte sich den Räubern und ihrer Habgier eines Tages in den Weg gestellt. Der Kampf war blutig gewesen, so erzählten es sich die Leute. Doch der Sieg war sein und mit diesem verdiente er sich den Respekt und Dank aller. Er wurde zum Leibwächter des Königs und fiel viele, viele Jahre nach dieser Heldentat ehrenvoll auf einem Schlachtfeld. Sein Grab wurde fortan von vielen angehenden Kriegern besucht und sie baten ihn um Mut und Kraft. Die, die an ihn glaubten wie an einen Gott, wurden die besten Krieger des Landes und sie verkündeten stets laut, dass sie dies Brica verdankten. Auch diese Geschichte verbreitete sich übers Land und man glaubte, Brica würde den roten Mond bewohnen, denn man sah die rote Farbe als Symbol für das Blut, das in einem gerechten Kampf vergossen wurde.
Die Geschichte Vortex’ und Splendors war nicht wie die anderen nur von Heldentaten gezeichnet. Sie war viel unscheinbarer und trotz allem wurde sie zu einer der bekanntesten Sagen Cataneos. Man erzählte sich, dass alles in einem Frühling begann und in einem Winter endete. Die beiden waren blutjung und schon damals unterschiedlicher, als man es zu erzählen vermochte. Splendor war die Prinzessin eines großen alten Reiches und
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