Cataneo - Der Weg Splendors (German Edition)
Lärm stieg immer weiter an. Einige verstanden den Aufruhr nicht und diskutierten lautstark mit jenen, die ein Problem in der Anwesenheit Alyas sahen. Pergo saß wie immer zur Rechten der Königin, doch blieb er nicht lange auf seinem Platz, denn als die Stimmen noch lauter wurden, erhob er sich und warf ein Glas an die Wand. Mit dem Zerbrechen des Glas’ kehrte Ruhe in den Saal zurück. Alle Augen und Ohren waren erschrocken auf Pergo gerichtet.
»Es reicht!«, schrie er empört auf. »Wie könnt ihr es wagen, die Entscheidung Eurer Königin zu kritisieren? Ihr habt nicht das Recht, sie in Frage zu stellen, ebenso wenig, wie ihr das Recht habt, die größte Hoffnung unserer Zeit aus diesem Saal zu werfen! Es ist einfach töricht!« Verärgert setzte er sich. Sein Blick wanderte aufmerksam zu Lordas hinüber. Sie brauchte einen Moment, in dem sie die Überraschung über seinen Ausbruch abschütteln konnte, doch dann erhob sie sich. Stolz und anmutig. Sie strahlte trotz der vorangegangen Kritik ihrer engsten Krieger und Gelehrten so viel königliche Beherrschtheit aus, dass es auch Pergo erfreute, sie so gefasst zu sehen.
»Wir haben uns nicht zum Streiten versammelt, sondern zum Reden. Wir haben uns auch nicht versammelt, um unsere Wut gegeneinander zu richten, sondern diese gezielt auf diejenigen, die unsere Heimat, sowie unsere Männer, Frauen und Kinder bedrohen. Die Zeit läuft uns davon. Die Kinder Splendors sind zahlreich, das wissen wir, denn Alya wird stets von ihresgleichen informiert. Aber wir sind es nicht! Unsere Armee wird nicht reichen, wenn uns mehr bedrohen als nur die Orks aus dem Westen. Was tun wir also, wenn sie die verfluchten Letifer auf uns hetzen? Was werden wir tun, wenn wir das Böse am Horizont erblicken? Streiten? Nein. Eure Worte werden nicht helfen. Das tun sie auch hier und heute nicht.« Als sie in die Runde blickte, sah sie in den Augen ihrer Zuhörer Scham. Sie erkannte, wie sehr sie ihre Worte beeindruckt hatten. Sie begriffen in jenem Augenblick, dass wahrlich ein Krieg bevorstand. Nichts würde mehr so sein wie zuvor und jeder, den sie liebten, schien plötzlich bedroht. Einige schluckten erst einmal. Andere atmeten tief ein. Die Königin jedoch warf einen hoffnungsvollen Blick auf Alya.
EIN INTENSIVER TRAUM
Morris saß am Tresen, lauschte der Frau, die so bezaubernd sang und seine Gedanken drifteten ab. Erinnerungsfetzen kamen hoch an jene Nacht in Zitelia … Die Nacht, in der alles angefangen hatte:
Er hörte etwas im Gebüsch rascheln. Es war so nah, dass es ihm fast unerträglich laut vorkam. Langsam setzte er einen Fuß vor den nächsten und näherte sich den Zweigen. Seine Hand griff nach einem dünnen Ast und schob ihn vorsichtig zur Seite. Da sah er es. Es hockte dort und sah mit weit aufgerissenen Augen in die des Hauptmannes.
Morris gefror noch immer das Blut, nur bei der Erinnerung dieses Anblickes. Sein Herz raste wie damals, als er sich vor Schreck nicht bewegen konnte, und sein Atem stockte, als wäre dieser Augenblick nie vergangen.
Sie war dort. Ihre Augen … viel lebhafter als die jedes anderen Dämons. Und wie sie ihn anschaute …
Es schien ihm, als hätte er in jenem Moment etwas in diesen Augen verloren. Es hatte sich angefühlt, als hätte er ein Teil seiner selbst verloren. Tagelang hatte er diesen Anblick nicht vergessen können. Seine Träume waren seither von diesen Augen erfüllt.
Das Bild jedoch verschwamm vor seinem geistigen Auge und die Erinnerung an die Gasse, in der er der Dämonin begegnet war, tauchte in seinem Kopf auf. Schon damals hatte er sich gefragt, wer sie wohl war – diese dunkelhaarige Dämonin mit den leuchtend roten Augen. Er hatte noch immer ihre Stimme im Ohr. »Keine Angst«, hatte sie ihm zugeflüstert, während sie ihre Hand auf seine Lippen presste. Ihre Worte waren leise und ihre Stimme sanft gewesen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er ihr eines Tages auf dem Schlachtfeld gegenüber stehen sollte. Es wäre ihm niemals möglich, sie zu töten. Nicht einmal in Gedanken.
Bei dem Versuch sich eine Vorstellung dieses Szenarios zu machen, fand er sich auf einmal am Tresen wieder.
»Schlecht geträumt?«, fragte der Wirt hämisch grinsend. Morris winkte diese Bemerkung ab und blickte zur Bühne, auf der die Unbekannte noch immer von Frieden und Liebe sang. »Ist es schon Abend?«, fragte er den Wirt, während er nach seinem Krug griff, um den letzten Schluck zu trinken.
»Abend ist gut«, entgegnete ihm der
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