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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Kaplan nahm diese unwahrscheinlich klingende Erklärung mißtrauisch auf. »Das ist doch aber unglaublich«, antwortete er.
    »Das wäre ja vorsätzlicher Mord. Warum haben Sie den Vorfall nicht Major Major gemeldet?«
    »Ich habe Major Major den Vorfall gemeldet«, sagte der Captain traurig, »und Major Major hat gesagt, falls ich ihn je wieder anspräche, wolle er mir die Kehle durchschneiden.« Der Mann beobachtete den Kaplan ängstlich. »Wollen Sie mir etwa auch die Kehle durchschneiden?«
    »O nein, nein, nein, nein«, versicherte ihm der Kaplan. »Selbstredend nicht. Sie leben also wirklich im Wald?«
    Der Captain nickte, und der Kaplan betrachtete diesen von Müdigkeit und Unterernährung bleichen und zerfressenen Menschen mit einer Mischung aus Hochachtung und Mitleid. Sein Körper war ein Knochengerüst, auf dem die zerknitterte Uniform wie eine Sammlung zusammengelesener Säcke hing. Überall hafteten trockene Grashalme an ihm, und er benötigte dringend einen Haarschnitt. Unter den Augen lagen breite, dunkle Ringe. Dem Kaplan kamen angesichts des gehetzten, verschmutzten Anblickes, den der Captain bot, fast die Tränen, und bei dem Gedanken an die zahllosen Härten, die der Mann täglich zu erdulden hatte, empfand er Mitleid und Ehrfurcht. Mit demütig gesenkter Stimme fragte er: »Wer wäscht denn Ihre Wäsche?«
    Der Captain kniff sachlich den Mund ein. »Meine Wäsche wird von einer Wäscherin in einem der Bauernhäuser da hinten besorgt. Ich habe eine Menge Zeug in meinem Anhänger und schleiche mich ein- bis zweimal des Tages hin, um mir frische Unterwäsche oder ein sauberes Taschentuch zu holen.«
    »Was werden Sie tun, wenn es Winter wird?«
    »Oh, dann werde ich wohl schon wieder bei der Staffel sein«, erwiderte der Captain mit der Zuversicht des Märtyrers. »Häuptling White Halfoat hat allen Leuten versprochen, an Lungenentzündung zu sterben, und ich werde mich eben gedulden müssen, bis es etwas kälter und feuchter wird.« Er musterte den Kaplan erstaunt. »Wissen Sie denn das alles nicht? Haben Sie nie zugehört, wenn von mir die Rede war?«
    »Soweit ich weiß, habe ich nie etwas von Ihnen gehört.«
    »Nun, das begreife ich nicht.« Der Captain war beleidigt, doch gelang es ihm, weiter so zu tun, als sei er zuversichtlich gestimmt. »Wir haben immerhin schon September, es wird also nicht mehr allzulange dauern. Wenn jemand nach mir fragen sollte, sagen Sie einfach, sobald Häuptling White Halfoat an Lungenentzündung gestorben wäre, würde ich wieder am Schreibtisch sitzen und über den guter, alten Presseberichten schwitzen.
    Wollen Sie das ausrichten? Sagen Sie, ich käme zurück, sobald es Winter geworden und Häuptling White Halfoat an Lungenentzündung gestorben ist, ja?«
    Der Kaplan prägte sich diese prophetischen Worte ein, deren dunkle Bedeutung ihn noch feierlicher stimmte.
    »Leben Sie von Beeren, Wurzeln und Kräutern?« fragte er.
    »Aber gar nicht«, erwiderte der Captain überrascht. »Ich schleiche mich von hinten in die Messe und esse in der Küche. Milo gibt mir Stullen und Milch.«
    »Was machen Sie, wenn es regnet?«
    Der Captain antwortete freimütig. »Dann werde ich naß.«
    »Wo schlafen Sie?«
    Der Captain krümmte sich und begann zu retirieren. »Sie also auch?« rief er entsetzt.
    »Aber nein!« schrie der Kaplan. »Nein, ich schwöre es!«
    »Sie wollen mir auch die Kehle durchschneiden«, beharrte der Captain.
    »Ich gebe Ihnen mein Wort«, beteuerte der Kaplan, doch war es zu spät, denn die unschöne, haarige, zottelige Erscheinung war bereits verschwunden, hatte sich so geschickt in dem Gewirr von Blättern, Licht und Schatten aufgelöst, daß der Kaplan bereits bezweifelte, daß sie je existiert hatte. Es ereigneten sich so zahlreiche ungeheuerliche Dinge, daß er nicht mehr auseinanderhalten konnte, was ungeheuerlich war und was sich wirklich ereignet hatte. Er wollte sich über den Irren im Walde so schnell wie möglich Gewißheit verschaffen, wollte nachprüfen, ob es je einen Captain Flume gegeben habe, doch erinnerte er sich mit Bedauern, daß es seine nächste Pflicht war, Korporal Whitcomb zu beschwichtigen, an den er nicht genügend Verantwortung delegierte. Er schloff lustlos, von Durst gepeinigt und fast zu erschöpft, um weiterzugehen, den gekrümmten Waldweg entlang.
    Wenn er an Korporal Whitcomb dachte, empfand er Gewissensbisse. Er betete, Korporal Whitcomb möge fort sein, wenn er die Lichtung erreichte, damit er sich ohne Verlegenheit

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