Cathérine und die Zeit der Liebe
zu zwingen gedenkst, den Gatten zu ermorden. Wenn er dies billigt, dann unterscheidet er sich wahrhaftig sehr von dem einzigen und wahren Gott! Und außerdem hat man die Götter, die man verdient!«
Sie hob ihren Schleier auf, hüllte sich nachlässig in ihn und ging, ohne sich umzublicken, hinaus, wo sie Morayma und ihre Eskorte vorfand. Der langgestreckte grüne Hof leerte sich schnell. Die Männer begaben sich in die Moschee. Nur vier Gärtner waren noch damit beschäftigt, gemächlich die Myrtenbüsche zu beschneiden. Einer von ihnen, ein riesiger Maure, hustete, als Cathérine an ihm vorüberging. Mechanisch wandte sie den Kopf und sah ihn an. Unter dem weißen Turban und trotz des kleinen schwarzen Bartes erkannte sie Gauthier.
Ihre Blicke kreuzten sich. Sie konnte sich weder erstaunt zeigen noch stehenbleiben, mußte ihren Weg fortsetzen, während der falsche Gärtner ebenso langsam und trödelnd wie seine Kollegen zur Moschee hin davonging. Trotzdem fühlte sich Cathérine, in ihrem vergoldeten Gefängnis angelangt, erleichtert. Sie konnte nicht verstehen, wie Gauthier dahin gelangt war, wie er sich unter die Dienerschaft der Alhambra hatte mischen können, aber sicherlich hatte er es Abu al-Khayr zu verdanken. Er mußte zweifellos für taubstumm gelten, was die am wenigsten gefährliche Situation für einen falschen Muselmanen war. Und der Gedanke, daß er da und ihr nahe war, hatte so etwas Tröstliches, daß Cathérine vor Freude hätte weinen können. Es war gut, ihn in diesem verfluchten Palast zu wissen, zu wissen, daß er über sie wachte, so gut es ging. Josse wiederum war in der Alkazaba, bei den Soldaten … vielleicht sogar im Ghafar, Arnaud nahe. Aber Cathérine verging vor Angst. Der Pariser kannte Arnaud nicht. Und was konnte er schon unternehmen, um das Martyrium des Gefangenen zu mildern? Die Worte Mohammeds klangen ihr wieder im Ohr: »Eine Woche lang wird er nichts essen, nichts trinken, wird nicht schlafen …« Was für ein menschliches Wrack würde Arnaud nach diesen qualvollen Tagen sein! Und würde sie wirklich selbst den Dolch, der sie so viele Male verteidigt und geschützt hatte, ins Herz ihres Gatten stoßen müssen? Allein bei diesem Gedanken stockten Catherines Herzschläge. Sie wußte, daß sie Tag für Tag, Stunde um Stunde allein durch diese Vorstellung leiden würde, gleichzeitig mit dem geliebten Mann …
Nur ein Gedanke tröstete sie ein wenig. »Nachdem ich ihn getötet habe, töte ich mich selbst!« schwor sie sich.
Als Cathérine wieder in ihrem Gemach angekommen war, warf ihr Morayma, die kein Wort an sie gerichtet hatte, einen unsicheren Blick zu.
»Ruhe dich aus. In einer Stunde komme ich wieder und hole dich ab.«
»Wozu?«
»Um dich den Bademeisterinnen zu übergeben. Von heute an wirst du jede Nacht ins Bett des Herrn geführt werden.«
»Du willst doch nicht etwa sagen, daß er …?«
Die Empörung raubte ihr die Sprache, aber Morayma hob mit dem Fatalismus ihrer Rasse die Schultern.
»Du bist sein Eigentum. Er verlangt nach dir … Was gibt es Natürlicheres? Wenn man sein Los nicht vermeiden kann, gebietet die Klugheit, es klaglos zu erdulden …«
»Und du glaubst, daß ich es hinnehmen werde?«
»Was kannst du sonst tun? Du bist schön. Auf seine Art liebt dich der Herr. Vielleicht gelingt es dir sogar, seinen Zorn zu besänftigen …«
Ein scharfer Blick Catherines wies sie in ihre Grenzen, und sie zog es vor, sich zu entfernen. Allein geblieben, ließ die Gefangene sich auf ihr Bett fallen, krank vor Wut bei dem Gedanken, was sie noch erwartete. Und sie hatte an diesen Kalifen geglaubt, der sie nun mit so kalter Grausamkeit behandelte! Er war ganz der Bruder Zobeidas. Sie hatte dieselbe Arroganz, dieselbe wilde Eifersucht, dieselbe absolute Selbstsucht an ihm entdeckt. Zobeida hatte geglaubt, Arnaud könne Cathérine sterben lassen und sie an ihrer Seite vergessen; und Mohammed wagte es, sie im selben Augenblick, in dem er ihren Gatten endlosen Leiden unterwarf, zu der Seinen machen zu wollen! Gewiß, Cathérine war fest entschlossen, sich leidenschaftlich zu wehren, aber ihr Henker hatte alle Möglichkeiten, sie zur Ohnmacht zu verurteilen. Zweifellos würde er über ihren Widerstand und ihre Anstrengungen lachen … und sie hatte nicht einmal ein Mittel, sich zu töten! Traurig zog sie das Giftfläschchen, das Abu al-Khayr ihr geschickt hatte, aus dem Versteck hinter der Azulejosverkleidung hervor, die sie von der Wand gelöst hatte.
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