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Cécile

Cécile

Titel: Cécile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Flachland hinaus, an dessen äußerstem Rande die Türme von Quedlinburg aufragten. Er blieb eine Minute lang im Anblick derselben und nahm dann Hut und Stock, um sich bei den St. Arnauds zu verabschieden. Aber diese waren nicht mehr auf dem Balkon, sondern promenierten bereits im Park unten und schritten eben auf ihre Lieblingsbank zu, die, von Flieder und Goldregen halb überwölbt, den Blick auf den Bahnhof frei hatte.
    »Bitte«, so wandte er sich an den Oberkellner, »lassen Sie meine Sachen hinüberschaffen.«
    Und nun ging er auf die Bank zu, wo St. Arnaud und Cécile mittlerweile Platz genommen hatten. Boncoeur war mit da, lag aber diesmal nicht zur Seite, sondern in Front, in vollem Sonnenschein. Als er Gordon kommen sah, hob er einen Augenblick den Kopf, ohne sich im übrigen zu rühren.
    »Ah, Herr von Gordon«, sagte der Oberst. »So spät. Ich dachte, Sie wären ein Frühauf. Meine Frau hat Ihnen in den letzten zehn Minuten mindestens ebenso viele Krankheiten angedichtet. Ich wette, sie schwärmte schon in der Vorstellung einer allerchristlichsten Krankenpflege.«
    »Der ich mich nun rasch und undankbar entziehe.«
    »Wie das?«
    »Ein eben erhaltenes Telegramm ruft mich fort, und ich komme, mich zu verabschieden.«
    Gordon sah, wie Cécile sich verfärbte. Sie bezwang sich aber, warf mit dem Schirm ein paar Steinchen in die Luft und sagte: »Sie lieben Überraschungen, Herr von Gordon.«
    »Nein, meine gnädigste Frau, nicht Überraschungen. Erst seit einer Stunde weiß ich davon, und es lag mir daran, über das, was nun sein muß, so schnell wie möglich hinwegzukommen. Was sag ich Ihnen noch? Ich werde diese Tage nie vergessen und würde mich glücklich schätzen, sie früher oder später, sei's hier oder in Berlin oder irgend sonstwo in der Welt, wiederkehren zu sehen.«
    Cécile sah vor sich hin, und eine peinliche Stille folgte, bis St. Arnaud artig, aber nüchtern erwiderte: »Worin sich unsere Wünsche begegnen.«
    In diesem Augenblicke läutete die Glocke drüben zum zweiten Male.
    »Das gilt mir. Adieu, meine gnädigste Frau. Au revoir, Herr Oberst.«
    Und Gordon, den Hut lüftend, ging auf den Bahnhof zu, der nur durch eine hohe Hecke von der Parkwiese getrennt war. Vor einem der hier eingeschnittenen Durchgänge blieb er noch einmal stehen, verneigte sich und grüßte militärisch hinüber. Der Oberst erwiderte den Gruß in gleicher Weise, während Cécile dreimal mit dem Taschentuch winkte.
    Keine Minute mehr, und der Pfiff der Lokomotive schrillte durch die Luft. Boncoeur aber sprang auf und legte seinen Kopf in den Schoß der schönen Frau. Dabei schien er sagen zu wollen: »Laß ihn ziehen: ich bleibe dir und – bin treuer als er.«

 
Siebzehntes Kapitel
     
    Gordon war allein im Coupé und nahm einen Rückwärtsplatz, um so lange wie möglich einen Blick auf die Berge zu haben, zu deren Füßen er so glückliche Tage verbracht hatte. Hundert Bilder, während er so hinstarrte, zogen an ihm vorüber, und inmitten jedes einzelnen stand die schöne Frau. Gedanken, Betrachtungen kamen und gingen, und auch der Abschiedsmoment stellte sich ihm wieder vor die Seele.
    »Dieser Abschied«, sprach er vor sich hin, »ich wollt ihn abkürzen, um nicht in armselige Redensarten zu verfallen, und doch war mein letztes Wort nichts andres. ›Auf Wiedersehen!‹ Alles Phrase, Lüge. Denn wie steht es damit in Wahrheit? Ich will sie
nicht
wiedersehen, ich
darf
sie nicht wiedersehen; ich will nicht Verwirrungen in ihr und mein Leben tragen.«
    Er wechselte den Platz, weil die just eine starke Biegung machende Bahn ihm den Blick auf die Berge hin entzog. Dann aber fuhr er in seiner Betrachtung fort: »Ich will sie nicht wiedersehen, so sag ich mir. Aber schließlich, warum nicht? Sind Verwirrungen denn unausbleiblich? Lady Windham in Delhi war nicht älter als Cécile, und ich selbst war um fünf Jahre jünger als heut, und doch waren wir Freunde. Niemals, in den nun zurückliegenden Tagen, hab ich mir im Umgange mit der liebenswürdigen Lady mißtraut und ihr selbst noch weniger. Also warum kein Wiedersehen mit Cécile? Warum nicht Freundschaft? Was in einer indischen Garnisonstadt möglich war, muß noch viel möglicher sein innerhalb der Zerstreuungen einer großen Residenz. Sind doch Einsamkeit und Langeweile so recht eigentlich die Gevatterinnen, die die Liebestorheit aus der Taufe heben.«
    Er warf die Zigarette fort, lehnte sich zurück und wiederholte: »Warum nicht wiedersehen?« Aber er konnte

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