Chaplins Katze, Clintons Kater
Symbolik zu stecken und ziemlich deutlich auf eine gar nicht so seltene eheliche Situation anzuspielen – und auf einiges mehr. Viele Jahre nach ihrer Veröffentlichung und nach Hemingways Selbstmord zerpflückte ein amerikanischer Linguistikprofessor die Geschichte. Er bemerkt, dass Hemingway dem Leser »ein Gefühl für die Frustration der amerikanischen Ehefrau«
vermittelt und dass »die Katze aus dem Titel irgendwie für etwas anderes stehen soll. In Ermangelung eines besseren Wortes könnte man sagen, dass sie symbolisch ist.«
Mit keinem Wort erwähnt der Professor Hemingways Ehen, seine damals schon in aller Öffentlichkeit diskutierte sexuelle Desorientierung oder seine wohl bekannte Katzennarrheit.
Viele von Hemingways Bestsellern wurden verfilmt und die Spitzenstars seiner Zeit spielten die Helden und Heldinnen: Humphrey Bogart und Lauren Bacall, Gary Cooper und Ingrid Bergman sowie Spencer Tracy. Diese Schauspieler waren übrigens alle Hundebesitzer.
E.T.A. HOFFMANN (1776-1822), deutscher Schriftsteller. »Ich bin ein wahres Genie«, erklärte Hoffmanns Kater Murr der Welt vor 180 Jahren, in seiner eigenen Vorrede zu
›Lebensansichten des Katers Murr‹. »Mit der Sicherheit und Ruhe, die dem wahren Genie angeboren, übergebe ich der Welt meine Biografie.« In zwei Bänden.
Was auf diese Vorrede folgt, ist eine nur dürftig verhüllte Autobiografie Hoffmanns – der zweifellos auch ein Genie war.
Er war ein außerordentlich vielseitiger und origineller Schriftsteller, aber auch ein begeisterter Komponist, Jurist, Theaterkritiker, Karikaturist, Bühnenbildner und Musiker. Er hatte viele Romanzen mit Frauen. Beethoven und Schumann verehrten ihn, ebenso Carlyle, der einige seiner Werke ins Englische übersetzte.
Es gab natürlich einen echten Kater Murr, der bei Hoffmann lebte, einen großen, schönen Tigerkater. Der erscheint in der Korrespondenz an Hoffmanns Freunde als »Kater von großer Schönheit und noch größerer Intelligenz«, der »mich tatsächlich zu jener skurrilen Satire hinführte, die sich durch dieses im Grund ernste Buch zieht«.
Murr, der echte Kater, starb im zarten Alter von vier Jahren.
Hoffmann berichtet voller Kummer gegen Ende von Band zwei: »Den klugen, wohl unterrichteten, philosophischen, dichterischen Kater Murr hat der bittre Tod dahingerafft mitten in seiner schönen Laufbahn. Er schied in der Nacht vom neunundzwanzigsten zum dreißigsten November [1821] nach kurzem, aber schwerem Leiden mit der Ruhe und Fassung eines Weisen dahin.« Dies ist laut Hoffmann nur ein weiterer Beweis für das Schicksal genialer Wesen: »Entweder sie steigen in einer Antiklimax hinab zur Charakter- und geistlosen Masse, oder sie bringen es in Jahren nicht hoch.«
Hoffmanns Kater-Murr-Buch ist unglaublich verwickelt und komisch, eines der anspruchsvollsten »Tierbücher«, die je verfasst wurden. Wie so viele seiner Art ist es in Wirklichkeit ein Buch über Menschen, und Murr – ganz romantische Unschuld und Bildung – entspricht in keiner Weise dem typischen Katzenklischee von mysteriöser Unergründlichkeit.
Das Buch ist ein fragmenthafter wilder Galopp und besteht eigentlich aus zwei Büchern, die einander ständig unterbrechen. Der Leser muss stets auf der Hut sein, um nicht völlig durcheinander zu kommen, und erhält nur einen kurzen typografischen Hinweis darauf, dass man nun von der Katergeschichte zu einer anderen Biografie und wieder zurückspringt.
Das Buch wurde in zwei Bänden in den Jahren 1819 und 1821 veröffentlicht, die Umschlagillustration stammte von Hoffmann selbst. Es war auch ein dritter Band geplant, aber Hoffmann starb im Juni 1822, nur ein halbes Jahr nach dem Tod seines echten Katers Murr. Bei der Veröffentlichung erregte das Buch in Deutschland nur wenig Aufsehen, »eines der traurigsten Kapitel der deutschen Literaturgeschichte«, wie es heute ein schuldbewusster Literaturexperte formuliert. In Russland und Frankreich wurde es hingegen heiß geliebt und allmählich gewann es auch in Deutschland an Popularität.
1826 brachte ein Neffe Heinrich Heines eine Fassung von Murrs weiteren Abenteuern heraus.
Das Buch liegt in einigen neueren Ausgaben vor. Auf über 500 Seiten sind zahlreiche Illustrationen zu sehen. Außerdem erläutern unzählige Fußnoten den Text, weil der neuzeitliche deutsche Herausgeber weiß, dass ein heutiger Leser vieles erklärt bekommen muss (Anspielungen auf griechische, römische, italienische und französische Klassiker und auf
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