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Chill mal, Frau Freitag

Titel: Chill mal, Frau Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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Krankwerden
    Aber nach fünf Tagen geht es irgendwie auch ohne sie. Es ist Sonntag. Wochenende. Und die Arbeit so weit weg, dass ich glatt vergessen könnte, welchen Beruf ich eigentlich ausübe. Neider schreien jetzt empört auf: Was? Hat die schon wieder Wochenende? Und ich sage: Ja! Und zu Recht, denn das habe ich mir verdient. Aber keine Angst, niemand genießt das Wochen ende so schlecht wie Lehrer. Jedenfalls gehört Entspannung nicht gerade zu meinen Lieblingstätigkeiten. Ich bin mir sicher, dass es keine andere Berufsgruppe gibt, die so schlecht abschalten kann wie wir. Oder wacht ein Bäcker nachts auf und denkt: Na, die Mohnbrötchen habe ich aber gestern irgendwie nicht richtig hingekriegt. Denkt die Verkäuferin am Sonntag: Morgen kommt die neue Ware, dann werde ich mich mal jetzt schon hinsetzen und aufschreiben, welche Artikel kommen, und sie alphabetisch sortieren? Kein Busfahrer muss sonnabends eine Sachanalyse über seine Route oder eine Bedingungsfeldanalyse über seine Fahrgäste verfassen. Ich dagegen sitze am Wochenende am Schreibtisch und denke mir Stunden aus, konzipiere und zensiere Arbeiten, gebe Statistiken und der Bürokratie ihre Daseinsberechtigung und liege sogar nachts oft wach und denke: Hat Abdul das wirklich gesagt? Hab ich da richtig reagiert? Hätte ich nicht da nicht das sagen sollen und vorher nicht lieber erst mal … und so weiter. An Wochentagen passiert mir das nicht. Eigentlich geht es mir an allen anderen Tagen besser als am Wochenende. Vielleicht sollte man das Wochenende abschaffen. Wer braucht das schon? Die Geschäfte sind nicht auf, sonntags ist man doch sowieso verkatert und depressiv und der öffentliche Nahverkehr fährt auch nur alle zwanzig Minuten.
    Wenn man Glück hat, wird man am Wochenende krank. Dann muss man sich nicht langweilen, sondern kann sich schön um seinen grippalen Infekt kümmern. Meistens werden Lehrer sowieso am Wochenende krank, weil da der Stress nachlässt und man sich plötzlich erinnert, dass man noch einen Körper und nicht nur einen Kopf hat.
    Aber krank in die Schule gehen ist scheiße. Manchmal geht es nicht anders. Manchmal fängt das Krankwerden ja auch erst in der Schule an. Neulich war ich krank. Also sage ich den Schülern schon vor Beginn des Unterrichts: »So Leute, bevor ihr mich fragt: Ja, ich habe heute schlechte Laune – sehr schlechte Laune. Hat nichts mit euch zu tun – noch nicht –, aber ich habe heute überhaupt keinen Nerv auf euren Firlefanz. Ich habe Kopfschmerzen, Halsschmerzen und wahrscheinlich auch Fieber.«
    »Warum bleiben Sie dann nicht zu Hause?«
    Ja, warum bleibe ich eigentlich nicht zu Hause? In dieser 10. Klasse bin ich ja wahrscheinlich die Einzige, die sich schon mal irgendwo beworben hat. Da meine Fehlzeiten auf keinem meiner Zeugnisse erscheinen, falls ich mich noch mal irgendwo bewerben würde, könnte ich, wenn ich krank bin, auch ruhig mal zu Hause bleiben. Der Protestant in mir erlaubt es nicht. Ich gehe pflichtdurchdrungen hin.
    »Ich bin nicht zu Hause geblieben, weil ihr heute die Arbeit schreiben müsst.« Für die Schüler nicht nachvollziehbar. »Jedenfalls, Ruhe jetzt und Taschen vom Tisch!«
    Robert: »Warum kann ich denn meine Tasche nicht … ist doch egal, ob …, und es macht doch gar keinen …«
    »Rooobert, ich sagte bereits, dass ich heute schlechte Laune habe. Sehr schlechte Laune. Also halt jetzt die Backen.«
    »Aber ich sag ja nur …«
    »Halt die Backen oder geh raus!«
    Ich auf 180, Robert immer noch die Ruhe selbst: »Aber dann bekomme ich null Punkte und …«
    »Und das ist mir dann scheißegal. Und wenn du hier überhaupt keinen Schulabschluss machst, ist mir das auch scheißegal. Es ist mir überhaupt völlig egal, was aus dir wird!«
    Plötzlich ist es total ruhig im Raum. Auch Robert schweigt. Nimmt die Tasche vom Tisch. Als er nur den Mund öffnet, schreie ich los: »Reicht dir das noch nicht? Willst du noch mehr von meiner schlechten Laune abkriegen? Kannst du haben. Ich hab noch ganz viel davon!«
    Dann schwitzen die Schüler alle über ihrer Arbeit und ich mit meinem Fieber am Pult, bis ich mich irgendwann nach Hause schleppe und mit Grippostad zudröhne. Und das alles nur, weil ich pflichtbewusst, aber krank in der Schule war. Man sieht also, das bringt überhaupt nichts. Vor allem, weil man sich dann, wenn man wieder gesund ist, tagelang für sein schlechtes, unpädagogisches Verhalten bei den Schülern entschuldigen muss.
    Gesünder wäre es auch, wenn die

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