Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Lebhaftigkeit an und wurden finster unter der Furcht vor einem gewaltigen Ungeheuer, während ein Architekt dem Wahnsinn anheimfiel und ein Bildhauer plötzlich im Delirium versank! Und was war mit jenem Sturm am 2. April – dem Tag, da alle Träume von der feuchten Stadt abbrachen und Wilcox unbeschadet aus den Fängen eines fremdartigen Fiebers hervorging? Was war mit all dem – und mit den Andeutungen des alten Castro über die versunkenen von den Sternen gekommenen Alten und ihre künftige Herrschaft, ihre treuen Anbeter und ihre Gewalt über die Träume? Wankte ich am Abgrund kosmischer Schrecken, die der Mensch nicht zu ertragen vermag? Falls ja, dann mussten es allein Schrecken des Bewusstseins sein, denn auf irgendeine Weise war am 2. April jedwede monströse Bedrohung zum Erliegen gekommen, die begonnen hatte, die Seelen der Menschen zu zermürben.
An jenem Abend verabschiedete ich mich nach einem Tag voller Telegramme und hastiger Vorkehrungen von meinem Gastgeber und nahm einen Zug nach San Francisco. In weniger als einem Monat war ich in Dunedin, wo ich jedoch herausfand, dass man wenig über die sonderbaren Kultanhänger wusste, die in den alten Hafenkaschemmen herumgelungert hatten – menschlicher Abschaum ist in Küstennähe ein viel zu häufiges Phänomen, als dass er besonderer Erwähnung bedarf. Es gab dennoch vages Gerede über einen Ausflug dieser Mischlinge ins Binnenland, währenddessen man schwaches Getrommel und rote Flammen auf den fernen Hügeln bemerkt habe.
In Auckland erfuhr ich, dass Johansen mit vormals blondem und nun weißem Haar nach einer ergebnislosen Befragung nach Sydney zurückgekehrt sei, dort sein Häuschen in der West Street verkauft habe, um anschließend mit seiner Frau in seine alte Heimat nach Oslo zu segeln. Von seinem aufwühlenden Erlebnis erzählte er auch seinen Freunden nicht mehr als den Beamten der Admiralität, und diese Herren konnten für mich nicht mehr tun, als mir seine Osloer Anschrift zu geben.
Danach reiste ich nach Sydney und unterhielt mich, ohne brauchbare Informationen zu erhalten, mit Seeleuten und Mitgliedern des Vizeadmiralsgerichtes. Ich besichtigte die Alert, die mittlerweile verkauft worden war und nun dem Seehandel diente, im Circular Quay in Sydney Cove, brachte aber nichts in Erfahrung. Das hockende Götzenbild mit seinem Tintenfischhaupt, seinem Drachenleib, Schuppenschwingen und hieroglyphenbedeckten Sockel befand sich im Museum im Hyde Park, und ich betrachtete es lange und genau, dieses Stück unheilvoller, doch vorzüglicher Handarbeit, das ebenso rätselhaft und unergründlich alt war und aus dem gleichen unirdisch fremden Material wie das kleinere Exemplar von Legrasse. Den Geologen, so erzählte der Museumsleiter mir, habe dies ein gewaltiges Rätsel aufgegeben, denn sie beteuerten, es gebe auf der ganzen Welt kein derartiges Gestein. Ich dachte mit Schaudern daran, was der alte Castro Legrasse über die Alten erzählt hatte: »Sie kamen von den Sternen, und Sie brachten Ihre Abbilder mit sich.«
Von einer nie zuvor gekannten geistigen Erschütterung erfasst, traf ich den Entschluss, den Maat Johansen in Oslo aufzusuchen. Ich segelte nach London und schiffte mich dort sogleich wieder nach der Hauptstadt Norwegens ein, und eines Tages im Herbst betrat ich einen hübschen Kai im Schatten des Egebergs.
Johansens Unterkunft befand sich, wie ich entdeckte, in der Altstadt von König Harald Schönhaar, die den Namen Oslo während all der Jahrhunderte beibehalten hatte, in denen die größere Stadt sich als ›Christiania‹ ausgegeben hatte. Ich legte die kurze Strecke in einer Droschke zurück und klopfte mit pochendem Herzen an die Tür eines schönen und alten Gebäudes mit Stuckfront.
Eine schwarz gekleidete Frau mit traurigem Gesicht öffnete mir, und ich wurde von der Enttäuschung fast zerrissen, als sie mir in stockendem Englisch mitteilte, dass Gustaf Johansen nicht mehr unter den Lebenden weile. Er hatte seine Heimkehr nicht lange überlebt, berichtete seine Frau, denn die Geschehnisse auf See im Jahre 1925 hätten ihn gebrochen. Er habe auch ihr nicht mehr als der Öffentlichkeit berichtet, doch habe er ein langes Manuskript hinterlassen – über »technische Angelegenheiten«, wie er sich ausdrückte –, auf Englisch geschrieben, allem Anschein nach, um sie, die diese Sprache kaum verstand, vor der Gefahr eines zufälligen Lesens zu bewahren.
Während eines Spazierganges durch eine schmale Gasse nahe dem
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