Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
er.
»Ach, ich denke schon, dass er dir das glaubt«, erwiderte Magnus leise.
»Dann kapier’s ich nicht …« Die Verwirrung stand Jace ins Gesicht geschrieben.
Für einen kurzen Moment erhaschte Clary den Ausdruck in Magnus’ Augen und wusste, dass er stark versucht war, diese Frage selbst zu klären. Von plötzlichem Mitgefühl für Alec erfasst, zog sie ihre Hand aus Simons Griff und rief »Jace, das reicht! Hör auf damit.«
»Hör auf womit? «, klang es in dem Moment vom Sofa. Clary wirbelte herum und sah, dass Luke aufrecht gegen die Polsterkissen gelehnt saß. Sein Gesicht war noch leicht schmerzverzerrt, aber ansonsten wirkte er wieder halbwegs gesund.
»Luke!« Clary stürzte zum Sofa und wollte ihn umarmen, aber als sie bemerkte, wie er sich die Schulter hielt, beschloss sie, darauf zu verzichten. »Kannst du dich erinnern, was passiert ist?«
»Nur schwach.« Luke fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. »Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist der Moment, als ich den Pick-up in der Auffahrt geparkt hatte und aussteigen wollte. Irgendetwas packte mich an der Schulter und zerrte mich aus dem Wagen. Ich erinnere mich an einen furchtbaren Schmerz, aber danach hab ich wohl das Bewusstsein verloren. Ich bin erst wieder aufgewacht, als ich fünf Leute gehört habe, die heftig miteinander diskutieren. Worum geht’s denn dabei? Was ist los?«
»Nichts, nichts«, erwiderten Clary, Simon, Alec, Magnus und Jace mit überraschender – und vermutlich unwiederbringlicher – Einstimmigkeit.
Trotz deutlicher Erschöpfung zog Luke eine Augenbraue hoch. »Verstehe«, war jedoch alles, was er dazu sagte.
Da Maia noch in seinem Schlafzimmer schlief, beschloss Luke, auf dem Sofa zu übernachten. Clary versuchte, ihn zu überzeugen, doch lieber ihr Bett im Gästezimmer zu nehmen, aber davon wollte Luke nichts hören. Resigniert gab Clary es schließlich auf und ging in den schmalen Flur, um Bettzeug aus dem Wäscheschrank zu holen. Sie zog gerade eine Bettdecke aus dem obersten Regal, als sie plötzlich jemanden hinter sich spürte. Erschrocken fuhr sie herum und ließ die Decke fallen, die sich auf ihren Füßen zu einem weichen Gebirge türmte.
Vor ihr stand Jace. »Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe.«
»Schon gut.« Sie bückte sich, um die Decke aufzuheben.
»Eigentlich tut es mir nicht leid«, sagte er. »Das war die stärkste Gefühlsregung, die ich seit Tagen von dir gesehen habe.«
»Ich habe dich ja auch seit Tagen nicht gesehen.«
»Und wessen Schuld ist das? Ich hab versucht, dich anzurufen. Aber du gehst ja nicht ans Telefon. Und es ist ja nicht so, als ob ich dich einfach mal besuchen könnte. Ich sitze hinter Schloss und Riegel, falls du das vergessen haben solltest.«
»Nicht direkt Schloss und Riegel.« Clary versuchte, einen leichten Ton anzuschlagen, während sie sich aufrichtete. »Du hast doch Magnus, der dir Gesellschaft leistet. Und Laguna Beach .«
Daraufhin entgegnete Jace, dass die Darsteller dieser Reality-TV-Serie ihn … mal gernhaben könnten.
Clary seufzte. »Müsstest du nicht langsam mit Magnus zurück in seine Wohnung?«
Jace presste die Kiefer zusammen und in seinen Augen sah Clary einen heftigen Schmerz aufflackern. »Du kannst es wohl kaum erwarten, mich loszuwerden, oder?«
»Nein.« Sie drückte die Decke an sich und starrte auf seine Hände – unfähig, ihm in die Augen zu schauen. Seine schlanken Finger waren mit Narben übersät und wunderschön; an seinem rechten Zeigefinger zeugte ein etwas helleres Band von der Stelle, wo er den Ring der Familie Morgenstern getragen hatte. Plötzlich wurde die Sehnsucht, ihn zu berühren, so groß, dass Clary am liebsten die Decke weggeworfen und geschrien hätte. »Das heißt, ja … ich meine, nein … Darum geht es nicht. Du musst wissen, dass ich dich nicht hasse, Jace.«
»Und ich hasse dich auch nicht.«
Erleichtert schaute sie zu ihm hoch. »Ich bin so froh, dass du das sagst …«
»Ich wünschte, ich könnte dich hassen«, erwiderte er. Sein Ton klang locker und sein Mund war zu einem unbekümmerten, leicht schiefen Lächeln verzogen, aber aus seinen Augen sprach tiefer Kummer. »Ich möchte dich hassen. Ich versuche, dich zu hassen. Alles wäre so viel einfacher, wenn ich dich hassen würde. Manchmal bilde ich mir ein, dass ich dich hasse, aber dann sehe ich dich und dann …«
Clarys Hände fühlten sich ganz taub an, so sehr umklammerte sie die Decke. »Und dann …?«
»Was glaubst du denn?«
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