Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
Vom Netzwerk:
Stunden bis Sonnenaufgang.«
    »Das bedeutet vermutlich, dass du mich nicht zu Hause absetzen wirst, oder?« Elegant trat der Vampir einen Schritt beiseite, wobei Jace’ Blick auf die hell glitzernde Goldkette um Raphaels Hals fiel.
    »Nein.« Jace stieg auf die Harley. »Aber du kannst im Keller unter dem Haus schlafen, falls du dir Sorgen wegen des Sonnenaufgangs machst.«
    »Hm.« Raphael schien darüber nachzudenken. Er war ein paar Zentimeter kleiner als Jace, und obwohl ihn sein körperliches Erscheinungsbild jünger wirken ließ, waren seine Augen wesentlich älter. »Dann sind wir wegen Simon also quitt, Schattenjäger?«
    Jace startete die Maschine und drehte sie zum Fluss. »Wir werden niemals quitt sein, Blutsauger, aber das hier ist zumindest ein Anfang.«
     
    Seit dem Wetterumschwung hatte Jace nicht mehr auf einem Motorrad gesessen und er war nicht vorbereitet auf den schneidend kalten Wind, der ihm vom Fluss entgegenschlug und wie Tausende eisiger Nadeln durch seine dünne Jacke und den Stoff seiner Jeans drang. Wenigstens hatte er Lederhandschuhe an, die seine Hände schützten, dachte er fröstelnd.
    In der Dunkelheit der Nacht hatte die Welt all ihre kräftigen Farben verloren. Der Fluss besaß die dunkle Schattierung von Stahl, der Himmel wölbte sich tiefgrau über ihm und am Horizont erstreckte sich eine dicke schwarze Wolkenlinie. Davor funkelten und glitzerten die Lichter der Williamsburg Bridge und der Manhattan Bridge. In der Luft lag bereits der Geruch von Schnee, obwohl der Winter noch Monate entfernt war.
    Als er das letzte Mal den Fluss überflogen hatte, war Clary bei ihm gewesen, hatte ihre Arme um ihn geschlungen und sich mit ihren kleinen Händen am Stoff seiner Jacke festgeklammert. Damals war ihm nicht kalt gewesen. Ruckartig legte er die Maschine in die Kurve und spürte, wie sie sich schlingernd zur Seite neigte. Einen Moment lang glaubte er, seinen eigenen Schatten auf der Wasseroberfläche zu sehen – in einer irrwitzigen Schräglage. Als er das Motorrad schließlich aufrichtete, entdeckte er sie: eine Jacht aus tiefschwarzem Metall, ohne Positionslichter oder sonstige Kennzeichen, deren Bug wie eine schmale Klinge durch die Fluten schnitt. Der Schiffsrumpf erinnerte ihn an einen Hai – schlank, schnell und tödlich.
    Jace bremste das Motorrad ab und schwebte vorsichtig nach unten, geräuschlos wie ein Blatt im Wind. Allerdings hatte er nicht das Gefühl, als würde er fallen – die Jacht schien sich ihm vielmehr entgegenzubewegen, emporgehoben von einer riesigen Welle. Die Räder der Harley berührten das Deck und er brachte die Maschine sanft zum Stehen. Den Motor brauchte er jedoch nicht abzustellen, da dieser in ein gedämpftes Brummen wechselte, dann zu einem Schnurren überging und schließlich ganz verstummte, sobald Jace abstieg. Als er einen Blick auf die Maschine warf, erinnerte sie ihn an einen unglücklichen Hund, dessen Herrchen ihm befohlen hat, Sitz zu machen und ihm nicht zu folgen.
    Bei dem Gedanken musste Jace grinsen. »Ich komm gleich wieder«, sagte er. »Ich muss nur mal ebendiese Jacht überprüfen.«
    Und es gab eine Menge zu überprüfen: Jace stand auf einem breiten Deck, zu seiner Linken strömte träge der Fluss. Die gesamte Jacht war schwarz gestrichen – das Deck, die Metallreling, sogar die Bullaugen in dem langen, schmalen Deckshaus waren geschwärzt. Das Schiff erwies sich als deutlich größer als erwartet. Es besaß etwa die Länge eines Fußballfelds und wirkte völlig anders als jedes Wasserfahrzeug, das Jace kannte – zu groß für ein herkömmliches Motorboot, zu klein für ein Kriegsschiff. Außerdem hatte er noch nie ein Schiff gesehen, das vollkommen schwarz gestrichen war. Er fragte sich, woher sein Vater es wohl hatte.
    Jace ließ die Harley stehen und inspizierte das Deck. Die Wolkendecke war aufgebrochen und nun funkelten die Sterne unglaublich hell und klar am Himmel. Links und rechts von ihm glitzerte die Stadt, als stünde er inmitten einer schmalen Passage aus Lichtern. Seine Stiefel dröhnten dumpf auf dem Deck. Plötzlich fragte Jace sich, ob Valentin überhaupt da war. Nur selten hatte er sich an einem Ort befunden, der so ausgestorben wirkte.
    Am Bug angekommen, blieb er einen Augenblick stehen und schaute über den Fluss, der Manhattan und Long Island wie eine Narbe trennte. Ein starker, beständiger Wind von der Sorte, wie sie nur am Meer weht, hatte das Wasser zu grauen Wellen mit silbrigen Schaumkronen aufgetürmt.

Weitere Kostenlose Bücher