Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
Vom Netzwerk:
ist ihm egal.« Raphael schaute über die Schulter zu Jace. »Er verhungert. Er braucht Blut.«
    Jace, der mit bleichem, steinernem Gesicht am Rand des Grabs gestanden hatte, trat einen Schritt vor und hielt Raphael stumm die Plastiktüte entgegen, wie eine Opfergabe. Raphael schnappte sich die Tüte und riss sie auf. Mehrere transparente Beutel mit einer roten Flüssigkeit fielen auf den Boden. Murmelnd griff der Vampir sich einen der Beutel und schlitzte ihn mit seinen scharfen Nägeln ungeduldig auf, sodass Blut auf sein schmutziges weißes Hemd spritzte.
    Als würde er das Blut wittern, bäumte Simon sich im nächsten Moment auf und stieß ein klägliches Jaulen aus. Sein Körper zuckte und krümmte sich, seine klauenartigen Hände gruben sich in die Erde und seine Augen waren so verdreht, dass nur das Weiße zum Vorschein kam. Raphael hielt ihm den Blutbeutel entgegen und ließ ihm ein paar Tropfen der roten Flüssigkeit auf die Lippen fallen. »So ist es recht«, sagte er fast zärtlich.
    »Trink, kleiner Frischling, trink.«
    Und Simon – der seit seinem zehnten Lebensjahr Vegetarier gewesen war, der ausschließlich Bio-Milch trank und beim Anblick von Injektionsnadeln in Ohnmacht fiel – riss Raphael den Blutbeutel förmlich aus der dünnen braunen Hand und schlug die Zähne hinein. Gierig schluckte er das Blut in wenigen Zügen hinunter und warf dann den leeren Beutel mit einem weiteren Jaulen beiseite. Doch Raphael hielt schon den nächsten bereit und drückte ihn Simon in die Hand. »Hier. Aber trink nicht so hastig«, sagte er warnend. »Dir wird sonst noch schlecht.«
    Aber Simon ignorierte ihn; er riss den zweiten Beutel ohne fremde Hilfe auf und trank den Inhalt in gierigen Schlucken.
    Blut lief ihm aus den Mundwinkeln, rann seine Kehle hinunter und übersäte seine Hände mit dicken roten Tropfen. Dabei hatte er die Augen fest geschlossen.
    Raphael drehte sich zu Clary um, die auch Jace’ Blick und die Augen aller anderen auf sich ruhen spürte. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich eine Mischung aus Entsetzen und Abscheu. »Wenn er das nächste Mal trinkt«, sagte Raphael ruhig, »wird es nicht annähernd so unappetitlich sein.« Unappetitlich.
    Clary machte auf dem Absatz kehrt und torkelte von der Lichtung. Sie hörte, wie Jace ihr hinterherrief, ignorierte ihn aber; und als sie die Baumreihe erreichte, begann sie zu laufen. Sie hatte gerade die Hälfte des Hügels hinter sich gelassen, als der Schmerz zuschlug. Sie sank auf die Knie, würgte und dann schickte ihr Magen seinen gesamten Inhalt sturzflutartig nach oben. Als es vorbei war, kroch sie ein paar Meter weiter und sackte zusammen. Sie wusste, dass sie wahrscheinlich auf einem Grab lag, aber es war ihr egal. Sie drückte ihr erhitztes Gesicht gegen die kühle Erde und dachte zum ersten Mal in ihrem Leben, dass die Toten vielleicht doch gar nicht so übel dran waren.

11
    R AUCH UND S TAHL
    Die Intensivstation des Beth-Israel-Hospitals erinnerte Clary jedes Mal an Fotos, die sie von der Antarktis gesehen hatte – kalt und isoliert und alles in den Farben Grauweiß oder Hellblau. Die Wände im Zimmer ihrer Mutter waren weiß gestrichen; die Schläuche, die sich um ihren Kopf wanden, und die ununterbrochen piepsenden Geräte neben dem Bett schimmerten grau; der bis zu den Schultern hochgezogene Bettbezug war hellblau und ihr Gesicht wirkte weiß. Den einzigen Farbtupfer im ganzen Raum bildeten ihre roten Haare, die auf der schneeweißen Fläche des Kopfkissens wie eine knallige, auffällige Flagge am Südpol leuchteten.
    Clary wunderte sich, wie Luke dieses Privatzimmer bezahlen konnte, woher das Geld dafür stammte, und beschloss ihn zu fragen, sobald er vom Heißgetränkeautomaten im dritten Stock zurückgekehrt war. Der Kaffee aus der unansehnlichen und kleinen Cafeteria, die dort untergebracht war, sah nicht nur aus wie Teer – er schmeckte auch so. Aber Luke schien das Zeug zu lieben.
    Die Metallbeine des Betthockers quietschten über den Boden, als Clary ihn zu sich heranzog, sich bedächtig darauf niederließ und ihren Rock glatt strich. Jedes Mal, wenn sie ihre Mutter im Krankenhaus besuchte, verspürte sie eine nervöse Anspannung und ihr Mund wurde ganz trocken, als würden ihr gleich die Leviten gelesen. Möglicherweise lag das daran, dass sie das Gesicht ihrer Mutter immer nur dann so leer und ausdruckslos gesehen hatte, wenn Jocelyn kurz vor einem Wutanfall gestanden hatte.
    »Mom«, sagte Clary.

Weitere Kostenlose Bücher