Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
Haut mit seinen Zähnen zu durchbohren und ihr warmes Blut zu trinken. Doch der anderen Hälfte von ihm war nur nach Schreien zumute. Er wich einen Schritt zurück und dann noch einen, wobei er abwehrend die Hände ausstreckte.
Maia setzte gerade zum Sprung an, als die Küchentür aufflog und Clary ins Wohnzimmer stürmte. Sie schnellte durch den Raum und landete geschmeidig wie eine Katze auf dem Beistelltisch. In ihrer Hand hielt sie einen Gegenstand, der silberhell aufblitzte, als sie den Arm hob. Simon sah, dass es sich um einen Dolch handelte, dessen Klinge so elegant wie eine Vogelschwinge gebogen war. Der Dolch zischte an Maias Haaren vorbei, nur Millimeter von ihrem Gesicht entfernt, und bohrte sich bis zum Heft in den grauen Baumwollsamt. Maia versuchte wegzutauchen und schnappte keuchend nach Luft; die Klinge war durch ihren Pulloverärmel gedrungen und fesselte sie ans Sofa.
Clary umfasste das Heft des Dolchs, der von Luke stammte. Als das Glas zersplittert war und Clary einen Blick durch die Küchentür geworfen hatte, hatte sie die Situation sofort erfasst und war in Lukes Büro gestürzt, wo er seine Waffen aufbewahrte. Maia mochte geschwächt und krank sein, aber sie wirkte so rasend, dass Clary keinen Zweifel daran hatte, sie könnte jeden Moment einen Mord begehen.
»Was zum Teufel ist mit euch beiden los?« Wie aus der Ferne hörte Clary ihre eigene Stimme, die zu ihrer Überraschung stahlhart klang. »Werwölfe, Vampire – ihr seid beide Schattenwesen.«
»Werwölfe verletzen keine Leute oder andere Werwölfe. Aber Vampire sind Mörder. Einer von ihnen hat vor ein paar Tagen vor dem Blutmond einen Jungen umgebracht …«
»Das war kein Vampir.« Clary sah, wie Maia angesichts der Gewissheit in ihrer Stimme erbleichte. »Und wenn ihr endlich damit aufhören könntet, euch immer gegenseitig die Schuld an allem Übel zuzuschieben, das in der Schattenwelt passiert, dann würden die Nephilim euch vielleicht mal ernst nehmen und tatsächlich etwas dagegen unternehmen .« Clary wandte sich an Simon. Die tiefen Wunden auf seiner Wange verheilten bereits zu feinen silbrig roten Narben. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja.« Seine Stimme war kaum zu hören. Clary erkannte den Schmerz in seinen Augen und kämpfte einen Moment mit dem fast unbezwingbaren Drang, Maia eine Reihe wüster Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. »Ja, es geht mir gut«, sagte Simon.
Erneut wandte Clary sich an das Werwolfmädchen. »Du kannst froh sein, dass er nicht annähernd so selbstgerecht ist wie du – denn sonst würde ich dich beim Rat anzeigen und dafür sorgen, dass dein gesamtes Rudel für dein Verhalten büßt.« Mit einem kräftigen Ruck zog sie den Dolch aus dem Polster, sodass Maias Pullover freikam.
Maia schnaubte vor Wut. »Du verstehst das nicht. Vampire werden zu dem, was sie sind, weil sie sich mit Dämonenenergie infizieren …«
»Und das Gleiche gilt für Lykanthropen!«, konterte Clary. »Ich mag ja nicht viel wissen, aber so viel steht nun mal fest.«
»Und genau das ist das Problem. Die Dämonenenergie verändert uns, lässt uns mutieren. Nenn es von mir aus eine Krankheit oder was immer du willst, aber die Dämonen, die die Vampire geschaffen haben, und die, die uns Werwölfe schufen, entstammten unterschiedlichen Spezies, die miteinander verfeindet waren. Sie haben sich gegenseitig gehasst und deshalb steckt es auch uns im Blut, uns ebenfalls zu hassen. Dagegen können wir überhaupt nichts tun. Und aus diesem Grund können ein Werwolf und ein Vampir niemals befreundet sein.« Sie schaute zu Simon. Ihre Augen funkelten. »Schon bald wirst du mich hassen«, sagte sie. »Und du wirst auch Luke hassen. Du kannst nicht das Geringste dagegen machen.«
» Luke hassen?« Simon war aschgrau im Gesicht, doch ehe Clary ihn beruhigen konnte, flog die Eingangstür auf. Clary wirbelte herum und erwartete, Luke zu sehen, aber es war nicht Luke – es war Jace. Er war vollkommen in Schwarz gekleidet und zwei Seraphklingen ragten aus dem Gürtel um seine schlanken Hüften. Direkt hinter ihm folgten Alec und Magnus; der Oberste Hexenmeister trug einen langen, wogenden Umhang, der aussah, als wäre er mit zerstoßenem Glas verziert.
Mit der Präzision eines Lasers heftete Jace seine goldbraunen Augen direkt auf Clary. Wenn sie gedacht hatte, er würde sie vielleicht mit bedauernder, besorgter oder gar beschämter Miene ansehen, dann hatte sie sich gründlich getäuscht. Er wirkte nur unglaublich
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