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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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war der einzige ohne Nummer, der Junge, der nicht existierte. Manche der Jungen drehten sich im Schlaf um, murmelten im Traum, aber keiner wachte auf.
    Das Mädchen griff fester um Cirrus’ Handgelenk und zog ihn noch tiefer zu Boden. Sie waren jetzt in der Ecke hinter seinem Bett versteckt. Dann, als die Frau sich ihnen immer mehr näherte, tippte ihm das Mädchen an die Schulter und kroch langsam auf die Tür zu.
    Cirrus folgte ihr, so leise er konnte. Einmal hob er den Kopf, denn in einem der Betten, genau dort, wo die Frau stand, setzte sich jetzt eine kleine Gestalt auf und rieb sich verschlafen die Augen.
    Cirrus schlug das Herz bis zum Hals. Tobias!
    »Bist du ein Geist?«, sagte der kleine Junge schlaftrunken.
    Die Frau blieb stehen und drehte sich nach ihm um, tauchte ihn ein in ihren Schatten. »Nein«, sagte sie. »Ich bin kein Geist. Ich bin durch und durch echt.«
    Sie stellte ihre Petroleumlampe auf den Boden und holte einen silbernen Gegenstand zwischen den Falten ihres Kleides hervor. Sie öffnete ihn. Er gab ein leise tickendes Geräusch von sich, das den ganzen Raum zu erfüllen schien.
    »Möchtest du es mal sehen?«, fragte sie den Jungen. Tobias nickte.
    Das Mädchen stieß Cirrus am Ellbogen, sie wollte ihm zu verstehen geben, er solle nicht hinhören. Sie selbst hielt sich beide Ohren zu und kroch weiter. Sie war inzwischen fast bei den Fenstern angelangt, von da aus hatten sie freie Bahn bis zur Tür.
    Cirrus folgte dem Mädchen, aber dann konnte er die Spannung nicht mehr ertragen und schaute noch einmal auf.
    Tobias starrte wie abwesend in die Augen der Frau. Sein Atem war langsamer geworden, seine Lider hatten sich gesenkt und schließlich war sein Kopf auf das Kissen gefallen. Zufrieden lächelnd zog die Frau das Leintuch über Tobias’ Kopf und schlug es dann wieder ein Stück zurück, eine sonderbar mütterliche Geste, die Cirrus jedoch nicht berührte. Er fröstelte.
    Das Mädchen drängte ihn, sich zu beeilen. Wieder kroch er langsam hinter ihr her.
    Da ließ ihn eine Stimme wie angewurzelt innehalten.
    »Ich höre dich«, sagte die Stimme.
    Starr vor Schreck sah Cirrus auf.
    Die Frau, zwischen den Bettreihen stehend, beobachtete ihn.
    Im Nu war das Mädchen bei Cirrus, packte ihn am Arm, zerrte ihn zur Tür hinaus, und als die Frau aus dem Schlafsaal kam, schossen die beiden schon die Treppe hinunter und verschwanden in der Dunkelheit.
    Entsetzt sah Cirrus sich um. Wo war der Heimvorsteher? Warum kam ihnen keiner zu Hilfe? Sie nahmen immer zwei Stufen auf einmal, stolperten in ihrer Eile. Er hielt sich am hölzernen Geländer fest, um nicht zu fallen, und sah aus den Augenwinkeln immer den schwachen Lichtschein der Petroleumlampe, der hinter ihnen an der Wand entlanghuschte.
    Endlich kamen sie in die Eingangshalle gestürmt, und das Mädchen rannte auf die Außentür zu. Sie nahm sich kaum Zeit zum Verschnaufen, riss die Tür auf, zog aber Cirrus sogleich wieder vom Ausgang zurück.
    »Was hast du vor?«, keuchte er atemlos, als sie ihn in einen dunklen Winkel hinter der Treppe schob.
    Sie drückte ihm die Hand über den Mund, als auch schon die Frau in die Halle kam, an ihnen vorbeischlich und hinaus in die Dunkelheit trat. Sie hörten ihre Schritte über die Pflastersteine tackern und in der Ferne leiser werden.
    Endlich ließ ihn das Mädchen los und deutete auf einen winzigen Verschlag unter der Treppe. Cirrus hatte ihn noch nie bemerkt. Woher wusste sie davon?
    »Schnell! Da rein!«, zischte sie und schubste ihn in die enge Höhle.
    Die Kammer war kalt und schmutzig, kaum groß genug für ihn allein, aber sie zwängte sich neben ihn und schloss hastig die Tür – nun saßen sie in vollkommener Finsternis. An seiner Wange spürte er ihren warmen Atem, ihr Haar kitzelte ihn. Etwas Kleines Spinnenhaftes krabbelte über seinen Fuß, und er schauderte. Plötzlich wurde ihm klar, dass er nur ein Nachthemd anhatte.
    »Hör mit der Zappelei auf!«, zischte sie. »Madame Orrery darf uns auf keinen Fall finden!«
    »Madame wer?«, sagte Cirrus verständnislos, aber das Mädchen drückte ihm kurzerhand wieder die Hand auf den Mund und lauschte angestrengt.
    Und dann spürte er, wie sie ein leichter Schauder überlief. Draußen näherten sich knirschende Schritte auf dem Weg zum Haus. Sie drängte sich noch dichter an ihn, er konnte den säuerlichen Schweißgeruch in ihren Kleidern riechen.
    Es dauerte nicht lange, da war der schwankende Lichtschein wieder in der Eingangshalle, und er

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