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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ja frei, seine Hinterlassenschaft
    noch bei Lebzeiten dem ersten besten schenkungsweise zu-
    zusichern. Doch nein . . . er bestand auf seinen Ideen! . . .
    Kurz nach Beendigung dieses denkwürdigen Mahls bega-
    ben sich die Tafelgenossen nach dem Oberdeck.
    Es war kurz vor 7 Uhr, denn das Essen hatte sich über
    Gebühr ausgedehnt. Ein schöner Abend, der eine schöne
    Nacht versprach. Das Zeltdach war eingezogen worden.
    Man atmete die reine, sanft bewegte Seeluft. Das von der
    Dämmerung umhüllte Land hob sich nur als ungewisser
    Schatten vom westlichen Horizont ab.
    Plaudernd liefen Clovis Dardentor und seine neuen Be-
    kannten hin und her und rauchten köstliche Zigarren dazu,
    womit der Perpignaneser reichlich versehen war und die er
    mit liebenswürdiger Freigebigkeit anbot.
    Um halb 10 trennte sich die Gesellschaft mit dem Ver-
    sprechen, sich morgen wieder zusammenzufinden.
    Nachdem Clovis Dardentor Herrn Désirandelle noch
    unterstützt hatte, nach der Kabine von Frau Désirandelle
    zu gelangen, begab er sich nach der seinigen, wo kein Lärm

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    und keine Bewegung auf dem Schiff seinen Schlummer stö-
    ren sollte.
    Da sagte Jean Taconnat zu seinem Vetter:
    »Marcel, ich habe eine Idee!«
    »Und die wäre?«
    »Wenn wir uns nun von dem guten Mann adoptieren lie-
    ßen!«
    »Wir?«
    »Du und ich . . . oder auch du oder ich.«
    »Du bist verrückt, Jean!«
    »Über Nacht kommt Rat, Marcel, und den Rat, der mir
    da zuteil geworden sein wird, den sollst du morgen erfah-
    ren!«
    5. KAPITEL
    Worin Patrice wiederholt findet, daß seinem Herrn
    zuweilen das vornehme Auftreten abgeht
    Am nächsten Morgen um 8 Uhr war noch niemand auf dem
    Oberdeck zu sehen. Der Zustand des Meeres verschuldete es
    jedoch keineswegs, daß die Passagiere so lange in ihren Ka-
    binen blieben. Die kurze Dünung des Mittelmeers brachte
    kaum ein schwaches Schwanken der ›Argèlès‹ hervor. Der
    friedlichen Nacht sollte ein herrlicher Tag folgen. Hatten
    die Passagiere ihre Lagerstätten mit Sonnenaufgang nicht
    verlassen, so hielt sie nur die Trägheit noch darauf zurück.
    Die einen mochten noch ein Morgenschläfchen machen,
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    die anderen träumten wohl wachend, und alle vergnügten
    sich gewiß, als ob sie in einer Kinderwiege lägen.
    Hier sprechen wir natürlich nur von den Bevorzugten,
    die niemals, selbst bei schlechtem Wetter nicht, seekrank
    werden, und nicht von den Unglücklichen, die es stets,
    selbst bei schönem Wetter, sind. Zur letzteren Kategorie ge-
    hörten die Désirandelles und manche andere, die ihr mora-
    lisches Gleichgewicht erst wiedererlangen sollten, wenn der
    Dampfer im Hafen verankert lag.
    Die sehr klare und reine Atmosphäre erwärmte sich un-
    ter den Strahlen der Sonne, die sich auf den leichten Mee-
    reswellen glitzernd widerspiegelten. Die ›Argèlès‹ entwi-
    ckelte jetzt eine Geschwindigkeit von 10 Seemeilen in der
    Stunde und steuerte nach Südsüdost in der Richtung auf
    die Gruppe der Balearen zu. Einige Fahrzeuge zogen in der
    Ferne an ihr vorüber, entweder mit einer langen Rauchsäule
    hinter sich oder mit vollem weißem Segelwerk, das sich von
    dem etwas dunstigen Horizont leuchtend abhob.
    Der Kapitän schritt allein auf dem Verdeck hin und her,
    um sich zu überzeugen, daß alles auf dem Schiff in Ord-
    nung war.
    Da erschienen Marcel Lornans und Jean Taconnat am
    Aufgang nach dem Oberdeck. Sofort ging der Kapitän auf
    sie zu und sagte nach Auswechslung eines freundschaft-
    lichen Händedrucks:
    »Sie haben hoffentlich eine gute Nacht gehabt, meine
    Herren?«
    »Oh, eine mehr als gute, Herr Kapitän«, antwortete Mar-
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    cel Lornans, »ja, es möchte schwierig sein, sich eine noch
    bessere auszumalen. Ich kenne kein Hotelzimmer, das sich
    mit einer Kabine der ›Argèlès‹ messen könnte.«
    »Ganz meine Ansicht, Herr Lornans«, antwortete Kapi-
    tän Bugarach, »und ich begreife kaum, wie man anderswo

als an Bord eines Schiffes wohnen kann.«
    »Ei, das sagen Sie nur einmal dem Herrn Désirandelle,
    und wenn er Ihre Ansicht teilt . . .«
    »Oh, dieser Landratte ebensowenig wie ihresgleichen,
    die ganz unfähig sind, die Reize einer Seefahrt zu würdi-
    gen!« rief der Kapitän. »Das sind einfache Frachtstücke, die
    in den Laderaum gehörten, sie machen unseren Dampfern
    nur Schande. Da sie jedoch die Fahrt bezahlen . . .«
    »Aha!« schnitt ihm Marcel Lornans die weitere Rede ab.
    Jean Taconnat, der doch sonst so redselig und

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