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Clovis Dardentor

Clovis Dardentor

Titel: Clovis Dardentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mitteilsam
    war, hatte sich begnügt, dem Kapitän die Hand zu drücken,
    an dem Gespräch aber nicht teilgenommen. Er schien mit
    seinen Gedanken beschäftigt zu sein.
    Marcel Lornans dagegen richtete noch einige Fragen an
    den Kapitän.
    »Wann dürften wir in Sicht von Mallorca sein?«
    »In Sicht von Mallorca? . . . Ungefähr um 1 Uhr nach-
    mittags. Die ersten Anhöhen der Balearen werden wir aber
    sehr bald sehen können.«
    »Und wir bleiben in Palma einige Zeit liegen?«
    »Bis 8 Uhr abends, soviel Zeit beansprucht die Verla-
    dung der nach Oran bestimmten Waren.«
    »Da können wir wohl die Insel besichtigen?«
    — 90 —
    »Die Insel . . . nein, das nicht, wohl aber die Stadt Palma,
    was sich, wie man sagt, der Mühe lohnen soll.«
    »Wie? . . . Wie man sagt, Herr Kapitän, sind Sie denn
    noch nie nach Mallorca gekommen?«
    »Oh, mindestens 30- bis 40mal.«
    »Und Sie haben sich da noch niemals etwas umgese-
    hen?«
    »Ja, die Zeit dazu haben, Herr Lornans, die Zeit haben!
    . . . Wo hätte ich sie hernehmen sollen?«
    »Die Zeit . . . und wohl auch die Lust dazu?«
    »Offen gestanden, auch die Lust dazu. Ich werde sofort
    landkrank, wenn ich nicht auf dem Meer bin!«
    Hiermit verließ der Kapitän den jungen Mann, um die
    Leiter zur Kommandobrücke hinaufzusteigen.
    Marcel Lornans wandte sich nun seinem Vetter zu.
    »He, Jean«, begann er, »du bist ja heute morgen stumm
    wie ein Harpokrates!«
    »Weil ich nachzudenken habe.«
    »Worüber denn?«
    »Über das, was ich dir gestern sagte.«
    »Was hast du mir gesagt?«
    »Daß wir eine einzig dastehende Gelegenheit hätten, uns
    von dem Herrn aus Perpignan adoptieren zu lassen.«
    »Daran denkst du noch immer?«
    »Ja . . . nachdem ich die ganze Nacht darüber gegrübelt
    habe.«
    »Ist das dein Ernst?«
    — 91 —
    »Mein voller Ernst! . . . Er wünscht sich Adoptivkinder.
    Gut, er mag uns nehmen . . . bessere findet er doch nicht!«
    »Wahrlich, ebenso bescheiden wie fantastisch!«
    »Siehst du, Marcel, Soldat zu werden, das ist ja recht
    schön. Bei den 7. Afrikanischen Jägern einzutreten, ist
    höchst ehrenwert. Und doch fürcht’ ich, daß das Waffen-
    handwerk nicht mehr so wie früher ist. In der guten alten
    Zeit, ja, da hatte man alle 3 bis 4 Jahre seinen frischen, fröh-
    lichen Krieg; da gab es noch Avancement und regnete es
    Kreuze. Jetzt ist ein Krieg – ich meine, ein europäischer – so
    gut wie unmöglich geworden, einfach infolge der ungeheu-
    ren Heeresmassen, die Millionen zu bewaffnender, zu füh-
    render und zu ernährender Soldaten zählen. Unsere jungen
    Offiziere haben jetzt keine andere Aussicht, als – wenigs-
    tens die allermeisten – pensionierte Hauptleute zu werden.
    Die militärische Laufbahn wird, selbst unter glücklichen
    Umständen, das nicht mehr bieten, was sie einstmals dar-
    bot. Man hat die großen Kriege durch die großen Manöver
    ersetzt. Das ist, vom sozialen Gesichtspunkt aus betrachtet,
    gewiß ein Fortschritt, doch . . .«
    »Jean«, unterbrach ihn Marcel Lornans, »das hätten wir
    uns vor der Abreise nach Algerien überlegen sollen . . .«
    »Verstehen wir uns recht, Marcel. Ich bin noch ebenso
    bereit wie du, in Dienst zu treten. Sollte die Göttin mit den
    vollen Händen aber geruhen, sie noch unterwegs über uns
    zu öffnen . . .«
    »Ach, du bist ja verrückt!«
    »Sapperment!«
    — 92 —
    »Du erblickst in jenem Herrn Dardentor schon . . .«
    »Einen zweiten Vater!«
    »Und vergißt gänzlich, da er, um dich adoptieren zu
    können, während deiner Minorennität schon 6 Jahre für
    dich gesorgt haben müßte. Wäre das etwa zufällig der Fall
    gewesen?«
    »Daß ich nicht wüßte«, antwortete Jean Taconnat; »min-
    destens hab’ ich nichts davon bemerkt.«
    »Ich sehe, daß du wieder verständig wirst, lieber Jean, da
    du wieder scherzen kannst.«
    »Na, ich scherze und scherze auch nicht.«
    »Nun, solltest du den braven Mann vielleicht dem Feuer
    oder Wasser entrissen oder ihn in einem Kampf gerettet ha-
    ben?«
    »Nein . . . doch ich werde ihn noch retten . . . oder viel-
    mehr du und ich, wir werden ihn retten.«
    »Wie denn?«
    »Davon hab’ ich nicht einmal eine Ahnung.«
    »Soll es auf dem Land, auf dem Meer oder in der Luft
    geschehen?«
    »Das wird von der sich bietenden Gelegenheit abhängen,
    und es ist gar nicht unmöglich, daß sich eine solche bietet
    . . .«»Und wenn du sie auch selbst herbeiführen solltest, nicht
    wahr?«
    »Ja, warum denn nicht? . . . Sieh, wir sind an Bord

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