Coaching - Eine Einfuehrung fuer Praxis und Ausbildung
darum, durch professionell angeleitete Methodik die Klienten zur Entwicklung
neuer Handlungsstrategien zu ermutigen.
Sehr viel komplexere Implikationen enthält die Frage,
wohin
der Coach seine Klienten lenkt. Wie in den vorangegangenen Abschnitten schon angesprochen, transportiert auch jeder Coach
unbemerkt Positionen, die aus seiner eigenen lebensweltlichen Erfahrung resultieren und die er dann automatisch in Beratungsprozesse
hineinträgt. Neben solchen impliziten Beeinflussungsfaktoren spielen aber auch konzeptionelle eine Rolle. Wie im Zusammenhang
mit den Zielen von Coaching erläutert, sollten beruflichen Beratungsprozessen immer ausformulierte Intentionen zugrunde liegen.
Aus diesem Argumentationszusammenhang ergibt sich z. B. die Notwendigkeit, dass Berater ihre Klienten trotz vielleicht ursprünglich
anders lautender Ideen zu mehr Duldsamkeit gegenüber sich selbst und gegenüber anderen zu bewegen suchen. Hier lässt sich
letztlich nur fordern, dass der Coach bemüht ist, dem Klienten alle seine eigenen Intentionen so transparent wie möglich zu
machen. Solche Überlegungen führen uns bereits zu einer weiteren Dimension des Interaktionsstils.
Die Dimension Authentizität/Zurückhaltung
Diese Dimension bezeichnet das Ausmaß, in dem sich Berater gegenüber Klienten offen äußern oder ihre Meinungen und Gefühle
zurückhalten. Die Forderung einer Subjekt-Subjekt-Relation schließt ein, dass sich Berater |195| von Klienten und ihren Anliegen innerlich erfassen und berühren lassen. Sonst sind sie übrigens auch unter pragmatischen Gesichtspunkten
oft gar nicht in der Lage mit zu vollziehen, um welche phänomenalen Erfahrungen es sich bei den Klienten gerade handelt. Persönliche
Berührtheit setzt aufseiten des Coach ein hohes Maß an innerer Authentizität voraus.
In professionellen Beziehungen wäre es aber nicht angemessen, jedes Angerührtsein durch Klienten sofort sprachlich oder nichtsprachlich
zum Ausdruck zu bringen.
Offenheit
von Professionellen, wenn sie zum Zwangspostulat erhoben wird, stört oft den Arbeitsfluss, kann zu unerwünschten Verletzungen
oder Verstrickungen führen usw. Eine zentrale professionelle Qualifikation besteht ja gerade darin, die eigenen Gefühle und
Meinungen insoweit vorzustrukturieren, dass sie zu zielgerechten Interventionen gerinnen. Wahllose Offenheit von Beratern
birgt auch Probleme für den professionellen Erkenntnisprozess. Viele Eindrücke, die der Coach vom Klienten und seinen Darstellungen
aufschnappt, müssen sich ja in ihm erst innerlich zu prägnanten Perspektiven verdichten. Durch voreilige Expression werden
solche Prozesse aufseiten des Beraters leicht verflacht (
Petzold
1980).
Im Übrigen erfordert der gesamte Ansatz, dass der Coach immer wieder eine
exzentrische Position
einnimmt gegenüber dem Klienten, gegenüber seinen »Praxisgeschichten« und sogar gegenüber der Interaktion, in die beide eingebunden
sind. Schon aus diesem Grund ist zumindest zeitweise Zurückhaltung unverzichtbar.
Auf der anderen Seite birgt aber auch ein betont zurückhaltender Interaktionsstil von Beratern gewisse Gefahren. Wie die psychoanalytische
Literatur lehrt (
Battegay, Trenkel
1978;
Thomä, Kächele
1988 u. a.), lassen sich durch ausgeprägt abstinente Interaktionsstile Übertragungen evozieren, d. h. Beziehungsstrukturen,
die frühkindlichen Interaktionsmustern von Patienten entsprechen. Durch seine Neutralität will der Therapeut ausdrücklich
als Projektionsschirm fungieren, auf dem die Patienten alle ihre Gefühle und Erwartungen gegenüber früheren relevanten Interaktionspartnern
wiedererleben können. Die Inhalte von Psychotherapie zentrieren sich dann vorrangig um die vom Patienten zum Therapeuten reinszenierte
Beziehung bzw. um die Ursprungsbeziehung, die sich nun in der Interaktion zum Therapeuten widerspiegelt.
Berater mit einer vergleichbaren Haltung, die dem Klienten gegenüber weder ihre Gefühle noch ihre Meinungen kundtun, provozieren
oft auch unbemerkt kindhafte Beziehungsstrukturen und damit unangemessene |196| Regressionen bei Klienten. Sie steuern dann paradoxerweise durch ihre Zurückhaltung die gesamte Beratungssituation unangemessen
asymmetrisch ein. Oder sie erzeugen ein Klima, in dem die Beziehung zwischen Coach und Klient eine überdimensionierte Bedeutung
erlangt. Auseinandersetzungen über Sachthemen von Klienten, die immer ein gewisses Maß an Symmetrie erfordern, sind dann im
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