COLLECTION BACCARA Band 0269
unbestimmte Gefühl, dass es ihm heute gelingen würde, zu seiner Tochter durchzudringen.
Doch als Jessie die Tür öffnete und er die Feindseligkeit in ihrem Gesicht sah, legte sich sein Optimismus. Er folgte ihr in die Küche und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Jessie würdigte ihn keines Blickes, und er sah Hilfe suchend zu Janey. Diese zuckte kaum merklich mit den Schultern, als wollte sie sagen: Ich habe dafür gesorgt, dass sie die Tür öffnet, der Rest ist deine Sache.
Als er sich wieder zu Jessie drehte, sah er gerade noch, dass sie schnell wegschaute. Diese kleine Heuchlerin, dachte er. Saß da, als interessierte es sie nicht, ob er blieb oder nicht, während sie gespannt darauf wartete, was er als Nächstes tun würde. Er unterdrückte ein Lächeln. Sie war zwar genauso streitsüchtig wie ihre Mutter, aber von ihm hatte sie offensichtlich dieses strategische Talent geerbt.
„Ich würde gern mit dir angeln gehen“, sagte Noah ohne große Vorrede, weil das sicherlich das Letzte war, womit sie gerechnet hatte.
„Es ist mitten am Tag“, erwiderte sie. „Wo warst du bei Tagesanbruch?“
„Da habe ich geschlafen. Und du?“
Sie ging auf die Frage nicht ein. „Jedes Kind weiß, dass man entweder bei Tagesanbruch oder bei Sonnenuntergang angeln geht.“
„Oder wenn es regnet. Bei Regen beißen die Fische am besten an. Das weiß auch jeder.“
Sie lehnte sich zurück. „Clary nimmt mich immer mit zum Angeln.“
Noah hatte eine Antwort auf den Lippen, die er in Gegenwart des Kindes besser für sich behielt.
Glücklicherweise kam Janey ihm zu Hilfe. „Und heute gehst du mit Noah angeln“, sagte sie zu Jessie. „Und es wäre klüger, nicht länger zu diskutieren, denn diesmal gewinnst du nicht.“
„Aber es regnet.“
„Nur ein paar Tropfen“, erwiderte Janey. „Du hast schon bei schlechterem Wetter draußen gespielt. Hol deine Regenjacke und pack deine Sachen zusammen.“
„Danke“, sagte Noah, als Jessie gegangen war.
„Ich hatte Angst, dass dir ein paar unpassende Worte über die Lippen rutschen“, erwiderte Janey. „Was ist eigentlich in der Tüte?“ Janey nahm ihm die Plastiktüte aus der Hand, an die er gar nicht mehr gedacht hatte, öffnete sie und kippte den Inhalt auf den Tisch. „Nicht schlecht, Bryant. Jessie mag diesen Saft – obwohl sie ihn normalerweise nicht trinken darf. Zu viel Zucker.“
„Der Tipp kam von Owen Keller.“
„Willst du sie bestechen?“
Noah rang sich ein kleines Lächeln ab, das ihm aber sofort wieder verging, als Janey das Sixpack Bier, das sich ebenfalls in der Tüte befand, nahm und in den Kühlschrank stellte. „Was soll das, Janey? Ich bekomme bestimmt Durst bei den langen Gesprächen, die ich mit Jessie führen werde.“
„Das ist besser gegen Durst.“ Sie packte Äpfel und Mineralwasser in eine Kühlbox.
„Janey, du verdirbst mir den ganzen Spaß.“
„Mag sein, aber so habe ich ein besseres Gefühl.“
„Okay“, lenkte er ein, „aber ich lasse dir das Bier nicht hier.“
„Ich trinke kein Bier.“
„Stimmt“, erwiderte er lächelnd, „aber Wein. Und du brauchst nicht viel, um sehr anhänglich zu werden“, erinnerte er sie.
Janey stieg das Blut in die Wangen. Sie musste sofort an jene leidenschaftliche Nacht vor zehn Jahren denken, obwohl sie an dem Abend völlig nüchtern gewesen war. Ein Kribbeln ging durch ihren Körper. Und so wie er sie ansah, gingen seine Gedanken in dieselbe Richtung. Das war nicht unbedingt beruhigend.
Jessie kam die Treppe heruntergepoltert. Mit jedem Schritt drückte sie ihren Missmut aus. Noah machte ein so genervtes Gesicht, dass Janey sich schon fragte, ob sie die beiden überhaupt allein losschicken konnte. Er verschränkte die Arme und versuchte, den Anschein zu erwecken, völlig entspannt zu sein. Dabei war er alles andere als das.
Janey hatte Mitleid mit ihm. Sie schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und legte einen Bagel auf einen Teller. So wie sie Noah kannte, hatte er noch nicht gefrühstückt.
„Iss“, sagte sie. „Ich habe das Gefühl, dass du heute all deine Kräfte brauchst.“
Noah würde sich nicht kleinkriegen lassen. Auch wenn aller Charme der Welt nicht ausreichte, Jessies ablehnende Haltung zu durchbrechen, sein Sinn für Humor ihn zu verlassen drohte und es auch mit seiner Geduld nicht mehr weit her war. Wenn er wenigstens einen Jeep hätte. Sein Porsche war kaum geländetauglich.
Jessie zeigte mit einem lauten Seufzer, für wie unfähig sie ihn hielt.
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