Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
lachte mädchenhaft auf. Dann wurde sie ernst.
»Ich weiß natürlich, dass Sie eigentlich Mörder und Drogenbosse fangen. Aber ich befürchte, wir haben auch einen Mörder in Mazan«, sagte sie.
»Einen Mörder?«
»Ja. Er tötet Katzen. Seit mehreren Jahren. Meist mit Gift, das weiß ich, aber es wurden in der Region auch schon Katzen mit eingeschlagenen Schädeln gefunden. Ich stehe in Kontakt mit den Lehrerinnen aller Dörfer, und uns ist aufgefallen, dass es blutige Sommer für unsere Katzen gibt. Das können nicht nur betrunkene Teenager sein, die gerade ihre Tierquäler-Phase haben. Und jetzt, ausgerechnet im Juli, ist Tin-Tin …« Éloise schloss die Augen, presste eine Hand vor den Mund. »Ist es nicht seltsam, dass man kleine Katzen so liebhaben kann, dass es einem das Herz bricht, wenn sie gehen?«
Zadira Matéo verriet ihr nicht, wie gut sie das verstand. Als Mädchen hatte sie immer eine Katze haben wollen. Aber ihr Vater hatte es nicht erlaubt.
»Saddie, wer Katzen wirklich liebt, der lässt sie frei. Katzen wollen Wind und Sonne spüren, nicht eingesperrt sein in den Mauern, hinter denen wir uns verstecken«, hatte er ihr erklärt.
Dann, sie war elf, war Zadira mit einem Winzling von Kätzchen aufgetaucht, das halb tot im Treppenhaus ihres Wohnblocks in einer Ecke gelegen hatte. Ihr Vater hatte Zadira geholfen bei ihrem Versuch, das kleine Fellbündel zu retten. Mit warmer Milch, einer Pipette, Wärmflaschen und all ihrer kindlichen Liebe. Doch es war zu schwach gewesen und in ihren Händen gestorben. Milva hatte Zadira das Kätzchen getauft. Ihr Vater und sie begruben Milva in dem Park unterhalb der Kirche Notre-Dame de la Garde, in einem weißen Karton, den sie mit einem alten Hemd ausgepolstert hatten.
Drei Wochen später musste Zadira auch ihren Vater begraben.
»Wenn Sie mich fragen, sind Katzen die besseren Menschen. Ich sollte meiner Nichte raten, Victor gegen einen Kater einzutauschen«, drang Madame Roches Stimme in Zadiras Bewusstsein. Dann fixierte die Lehrerin die Ermittlerin über ihre rote Brille hinweg. »Er kifft zu viel, irgendwann fließt ihm sein Gehirn noch aus den Ohren wie ein weicher Brie-de-Meaux-Käse. Na, wie auch immer. Und Ihnen, Madame Lieutenant? Gibt es jemanden in Mazan, der ihnen besonders gefällt?«
»Was? Wieso denn mir auf einmal?«
»Eine so junge Frau wie Sie hat doch sicher Bedürfnisse.«
Zadira ahnte, was jetzt kam. Das hatten ihre Ersatzmütter in Marseille auch nie lassen können. Ständig wollten sie Zadira ihre Söhne als Ehemann verkaufen. Sie schwärmten von geraden Zähnen, feurigen Lenden und einem Wesen, treu wie ein Schäferhund. Es machte Frauen einfach nervös, eine andere Frau ohne Mann in ihrer Nähe zu wissen. Das war gefährlich wie eine ungesicherte Kettensäge.
»Also«, begann Madame Roche, »wir hätten da Jean-Luc, den Barmann. Er lebt in Scheidung und hat eine Katze, Suzette, ein verfressenes hellbraunes Ding. Des Weiteren wäre da Theophil, der Zementgießer. Legastheniker, aber eine treue Seele. Hat auch einen Kater, Rocky oder Rambo, ein Riesentier. Den hat er neulich erst kastrieren lassen, in Carpentras. In Mazan gibt es ja keinen Tierarzt mehr, schon seit einem Jahr nicht, obwohl die Stadt auf mein Anraten sogar bei Facebook eine Anzeige geschaltet hat. Aber wahrscheinlich will einfach keiner in die Provinz. Sind Sie auch bei Facebook?«
»Ich möchte lieber allein …« bleiben, wollte sie sagen. Madame Roche überhörte es generös.
»Facebook ist für uns Menschen das, was für Katzen Katzenminze ist. Ich stöbere wahnsinnig gern darin herum; es ist erstaunlich, was die Leute so alles über sich erzählen. Übrigens, wenn Sie mit einem Mann auch reden wollen statt nur, Sie wissen schon, dann fiele mir da einer ein. Gepflegt, ledig, gute Stellung …«
»Ihre Toilette ist bitte wo?«
»Hier, die Tür gleich neben dem Herd.«
Éloise Roche redete durch die geschlossene Tür hindurch, während Zadira so tat, als erleichtere sie sich. Auch im Klo waren Entenfiguren zu finden, auf Simsen und Brettchen. Auf einem Hocker lag die aktuelle Ausgabe von Le Dauphiné. Das Revolverblatt machte mit dem Würgemord an der Studentin in Aubignan auf: »Serienmörder im Vaucluse? Vierter Frauenmord in zwei Jahren!«
»… mehrsprachig, ein ganz feiner Mann. Er kommt aus Avignon, da war er im Hôtel du Clôitre. Jetzt ist er Hotelmanager im Château de Mazan. Wissen Sie überhaupt, dass unser bestes Hotel hier eine Residenz des
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