Confusion
die Herzogin. »Beachtet sie einfach nicht, und habt Geduld. Es geht nicht darum, ob dieser oder jener Euch für eine Mörderin hält oder es gar beweisen kann, sondern ob er oder sie die erforderliche Würde besitzt, um eine solche Anschuldigung zu erheben.«
Es folgten zerbröckelnde, zusammenhanglose Stunden. Monsieur le Comte de Pontchartrain und später der König persönlich hörten nicht auf, Boten vorbeizuschicken, um sich nach dem Verbleib des Duc d’Arcachon zu erkundigen. Aus irgendeinem Grunde wollten sie alle mit Eliza sprechen – als würde von ihr erwartet, dass sie Dinge wusste, von denen die Herzogin von Arcachon nichts ahnte. Dies vereinfachte die Vorbereitungen für die Soirée in keiner Weise. Eliza musste sich frisieren und ankleiden lassen, während sie diese neugierigen Boten in Schach hielt, die mit fortschreitendem Nachmittag von zunehmend höherem Rang waren. Schließlich, kurz vor Einbruch der Dämmerung, ratterte eine vierspännige Kutsche auf den Hof, und Eliza rief:
»Halleluja!« Sie konnte nicht ans Fenster stürzen, weil zwei Technikerinnen ihr gerade Verlängerungen ins Haar flochten; doch jemand anders tat es und enttäuschte sie alle, indem er berichtete, dass es lediglich Étienne d’Arcachon sei.
»Er genügt allemal«, sagte Eliza, »jetzt werden sie ihn anstatt mich belästigen.«
Doch gleich darauf drang die Kunde herauf, dass Étienne buchstäblich die Kavallerie hinausbeordert, nämlich Reiter seines eigenen Leibregiments auf den schnellsten Pferden ausgeschickt hatte, damit sie in südlicher Richtung die Straßen absuchten, die sein Vater höchstwahrscheinlich in nördlicher Richtung befuhr; sie hatten Anweisung, sofort kehrtzumachen und zum Hôtel Arcachon zurückzugaloppieren, sobald sie die auffällige weiße Kutsche des Herzogs sähen. Auf diese Weise würde man wenigstens einige Minuten im Voraus von der Ankunft des Herzogs verständigt – was für Étienne, den höflichsten Mann in Frankreich, von höchster Wichtigkeit war, da es für den König überaus peinlich wäre, die Geburtstagsfeier eines Herzogs zu besuchen, nur um am Ende vom Ehrengast versetzt zu werden. So aber konnte der König weiterhin im Palais du Louvre abwarten – der nur ein paar Minuten zu Pferde entfernt war – und erst zum Hôtel Arcachon kommen (das im Marais, nicht weit vom Pont d’Arcole lag), wenn sicherer Bescheid eintraf, daß der Herzog unterwegs war.
Eliza wurde also nicht weiter von Boten belästigt; nun aber wünschte Étienne d’Arcachon eine Privataudienz bei ihr. Desgleichen Monsieur le Comte d’Avaux. Desgleichen Pater Édouard de Gex. Sie wies ihre Friseurinnen an, schneller zu arbeiten und sich den letzten Ring im Zikkurat der gegendrehenden Zöpfe zu schenken, der sich von ihrem Schädel gen Himmel erhob.
»Mademoiselle, gewährt mir die Ehre, der Erste zu sein, der Euch zu Eurer Schönheit beglückwünscht...«
»Es wäre mir lieber, Ihr wärt ebenso eifrig darauf bedacht, mir aus dem Weg zu gehen, wie Ihr mich mit Schmeicheleien überhäuft, Monsieur le Comte«, sagte Eliza und rauschte an ihm vorbei. »Ich bin unterwegs zu einer Unterredung mit Étienne de Lavardac in der Kapelle.«
»Ich werde Euch begleiten«, verkündete d’Avaux.
So heftig hatte Eliza ihn passiert, dass ihre Rocksäume sich einen Moment lang wie eine Peitschenschnur um seine Knöchel und seinen Degen wickelten und ihn fast zu Fall brachten, doch er hatte mehr
Aplomb als zehn beliebige andere französische Diplomaten, weshalb er gleich darauf an ihrem Arm erschien und dabei so vollkommen gefasst dreinschaute wie ein einbalsamierter Leichnam.
Sie eilten eine Galerie entlang, die von Dienern verstellt war, welche Tabletts mit Speisen balancierten und Festschmuck trugen; doch als diese das heranstürmende Paar sahen, suchten sie Zuflucht im Schutz von Säulen oder drückten sich in Nischen.
»Ich würde meine Pflicht versäumen, Mademoiselle, wenn ich Euch gegenüber nicht meine Sorge darüber zum Ausdruck brächte, welchen gesellschaftlichen Umgang Ihr in letzter Zeit pflegt.«
»Wie? Was? Die Familie de Lavardac? Pontchartrain? Monsieur Rossignol?«
»Eben weil man Euch so häufig in Gesellschaft dieser vornehmen Menschen sieht, müsst Ihr Eure Entscheidung überdenken, Euch Leuten wie Madame La Duchesse d’Oyonnax anzuschließen.«
Elizas freie Hand tastete nach dem Bund ihres Kleides, denn sie wurde von plötzlicher Angst gepackt, die grüne Phiole würde herausfallen, auf
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