Cotton Malone 05 - Der Korse
lässt du Cabral dann nicht anklagen?«
»Nicht mehr nötig. Er ist tot.«
Nun wusste Malone Bescheid. »Er liegt in einem dieser Leichensäcke?«
Thorvaldsen nickte. »Er ist gekommen, um persönlich Schluss mit mir zu machen.«
Malone merkte, dass etwas ungesagt geblieben war. »Erzähl mir den Rest.«
»Ich wollte nicht vor Sam davon sprechen. Er ist so eifrig. Vielleicht zu eifrig. Er glaubt, dass er recht hat, und möchte sich gerechtfertigt sehen, oder besser gesagt, er möchte Anerkennung. Es ist schrecklich für mich, dass er beinahe zu Schaden gekommen wäre.«
Thorvaldsens Blick kehrte zur Frisierkommode zurück. Malone sah, wie die Emotionen in dem alten Mann arbeiteten.
»Was hast du entdeckt?«, fragte Malone ruhig.
»Etwas, das ich nie erwartet hätte.«
Sam kletterte an Bord des Bootes, während Jesper das andere Fahrzeug am Heck festband. Die kalte skandinavische Winterluft brannte ihm im Gesicht. Sie hatten beide Leichen wieder von den Säcken befreit und ins andere Boot gelegt; nun schleppten sie das Fahrzeug in den offenen Sund hinaus. Jesper hatte ihm schon gesagt, dass starke Strömungen das Boot Richtung Schweden tragen würden, wo man es nach Sonnenaufgang finden würde.
Was für eine anstrengende Nacht.
Es geschah so viel.
Vor drei Tagen hatte Thorvaldsen vorhergesagt, dass die Situation eskalieren würde, und das war eindeutig geschehen.
»Sie tun sehr viel für Henrik«, sagte er über das Dröhnen des Außenbordmotors hinweg zu Jesper.
»Herr Thorvaldsen hat auch sehr viel für mich getan.«
»Menschen töten geht ein bisschen über das übliche Maß hinaus, meinen Sie nicht?«
»Nicht, wenn sie es verdient haben.«
Das Wasser war durch eine steife Brise von Norden her aufgewühlt. Zum Glück hatte Jesper ihm einen dicken Wollmantel, warme Handschuhe und einen Schal gegeben.
»Wird er Cabral und Ashby töten?«, fragte Sam.
»Señor Cabral ist tot.«
Sam begriff nicht. »Wann ist er denn gestorben?«
Jesper zeigte auf das Boot, das sie im Schlepptau hatten. »Er hat Herrn Thorvaldsen unterschätzt.«
Sam sah auf das dunkle Boot mit den beiden Leichen. Es hatte ihm nicht gefallen, dass er weggeschickt worden war, und jetzt fragte er sich nur noch nachdrücklicher, was Thorvaldsen und Malone besprachen. Jesper hatte seine Frage, ob Thorvaldsen Ashby töten würde, noch immer nicht beantwortet, und Sam begriff, dass er das auch nicht mehr tun würde. Dieser Mann war absolut loyal, und eine Antwort hätte er als Treubruch gegenüber Thorvaldsen empfunden.
Aber sein Schweigen sagte alles.
»Ashby ist auf einer Schatzsuche«, erklärte Thorvaldsen. »Nach einem Schatz, hinter dem viele Menschen schon seit langem her sind.«
»Und?«
»Das ist von Bedeutung. Noch bin ich mir nicht sicher, wieso. Aber es spielt eine Rolle.«
Malone wartete ab.
»Der junge Sam hat recht damit, dass es eine Verschwörung gibt. Ich habe es ihm noch nicht gesagt, aber meine Ermittler haben in jüngster Zeit zahlreiche Treffen von fünf Personen bestätigt, die in Paris zusammenkommen.«
»Sams Pariser Club?«
Thorvaldsen zuckte die Schultern.
»Menschen haben das Recht zusammenzukommen.«
Malone bemerkte, dass auf Thorvaldsens Stirn ein leichter Schweißfilm stand, obgleich es im Zimmer nicht warm war.
»Diese Leute nicht. Ich habe herausgefunden, dass sie experimentiert haben. In Russland haben sie letztes Jahr dem russischen Bankensystem übel mitgespielt. In Argentinien haben sie Aktien künstlich entwertet, billig gekauft, dann den ganzen Prozess umgekehrt und mit riesigen Gewinnen verkauft. Ähnlich sind sie in Kolumbien und Indonesien vorgegangen. Kleinere Manipulationen. Es ist, als prüften sie die Lage, als testeten sie, was man alles tun kann.«
»Wie viel Schaden können sie schon anrichten? Die meisten Länder verfügen über einen mehr als angemessenen Schutz ihres Finanzsystems.«
»Das scheint nur so, Cotton, denn diese Behauptung können die meisten Regierungen nicht aufrechterhalten. Insbesondere nicht, wenn die, die das System angreifen, wissen, was sie tun. Und beachte auch die Länder, die sie ausgesucht haben. Staaten mit despotischen Regimen und eingeschränkter oder gar keiner Demokratie, wo eine starke Zentralmacht regiert und es kaum Bürgerrechte gibt.«
»Du glaubst, das ist von Bedeutung?«
»Allerdings. Diese Geldleute sind gut geschult. Das habe ich überprüft. Und sie werden gut geführt.«
Malone bemerkte einen Anklang von Spott.
»Elena Rico war
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