Cruel World
merkte, wie er sich verkrampfte, ließ mir jedoch nichts anmerken. Selbst wenn er nicht wirklich Alex war, wollte ich es nicht wissen. Das wäre zu viel für meine Nerven.
Wie du willst. Langsam drehte er sich um und kam zu mir, um niederzuknieen. Während er das Fleisch mit dem Messer zerschnitt, blieb sein Gesicht ausdruckslos. Die orangenen Augen waren einerseits mit Panik, andererseits mit Erleichterung gefüllt, weil ich ihn nicht darauf ansprach. Seine Finger zitterten ein wenig.
Dankeschön. Mit meiner gesunden Hand klopfte ich ihm auf die Schulter und begann zu essen. Was würde ich nur ohne dich machen?
Ohne ein Wort stand er auf und ging zurück zum Feuer.
Verwirrt schaute ich ihm hinterher. Sein Verhalten war wirklich merkwürdig. Wenn er tatsächlich etwas vor mir zu verheimlichen hätte, würde er doch sicherlich versuchen, es besser geheim zu halten, oder etwa nicht? Warum tat er es dann nicht?
Kopfschüttelnd fing ich an zu essen. In dem Reis fehlte meiner Meinung nach ein bisschen Salz, aber das war nicht so wichtig. Das Steak verleite genug Geschmack. Ich liebte es, wenn sich das süße und gleichzeitig salzige Fett in meinem Mund verteilte und mit meiner Spucke Eins wurde, während meine Zähne das Fleisch durchkauten. Solch einen unglaublich köstlichen Geschmack könnte nur Alex hinbekommen und niemand anderer sonst. Da war ich mir ziemlich sicher.
Ich versuchte mit aller Kraft das, was eben gerade geschehen war zu vergessen, obwohl der Drang auf eine Antwort mit jeder Sekunde stieg. Trotzdem hielt ich mich gekonnt zurück.
Kaum war mein Teller leer, atmete Alex einmal tief durch und kam breit grinsend zu mir, um mir beim Aufstehen zu helfen.
So. Jetzt gehen wir beten. Kannst du eigentlich das Vater Unser?
Für einen kurzen Augenblick starrte ich ihn bloß an und konnte nichts antworten. Sein Gesichtsausdruck zeigte nun keine Spur mehr von Nervosität. Er schien einfach nur aufgeregt zu sein und selbst die wunderschönen Augen leuchteten wieder. Einerseits freute mich das sehr, doch andererseits fragte ich mich wirklich, ob seine Miene bloß aufgesetzt war. Wie war es möglich, dass man solche Stimmungsschwankungen und Meinungsänderungen haben konnte? Alex war eine wirklich merkwürdige Person, die ich wohl niemals ganz verstehen würde.
Erst als er eine Augenbraue hob, womöglich, weil ich nichts sagte, da musste ich mir innerlich einen harten Ruck geben, um in die Realität zurückzukehren.
Ähm... ich glaube nicht, dass ich es jemals gelernt habe. Wenn ich doch nur wüsste, ob meine Eltern religiös gewesen waren...
Während ich den letzten Satz sagte, betrachtete ich ihn ganz genau. Seine Wangenknochen verhärteten sich auf einmal und sein gesamter Körper schien sich anzuspannen. Außerdem senkte er kurz den blick. Als er mich wieder ansah, erkannte ich Schmerz in seinen Augen - Einen so großen Schmerz, der mich selbst traurig werden ließ. Was hatte das zu bedeuten?
Na los, komm.
Seine Stimme klang eiskalt. Ich konnte kein Gefühl in ihr hören.
Ist der Weg weit weg?
Nein. Wir müssen nur den Wald überqueren. So groß ist er nun auch wieder nicht. Wenn es spät werden sollte, kann ich dich auf dem Rückweg tragen, damit du schlafen kannst. Also, mache dir nicht zu viele Gedanken darüber.
Er ergriff meine Hand und zog mich zum ersten mal aus der Höhle hinaus. Kaum fiel mein Blick auf die Landschaft vor uns, erstarrte ich auch schon.
Obwohl der Himmel wie immer grau war, erstreckte sich vor mir womöglich das letzte und einzige Stück Land Australiens, das weder vertrockent, noch von blutrünstigen Monstern zerstört wurde. Wir befanden uns in einem kleinem Gebirge. Die Glory Cole Have lag etwa zweihundert Meter von einem Traum aus hohen Bäumen, deren Blätter so grün strahlten, dass es mir selbst aus dieser Entfernung schon die Sprache verschlug. Der kahle, graue Boden verwandelte sich zu einem Paradies von Gräsern und kunterbunten verschiedenen Blumen, die in ihrer vollen Pracht blüten. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, die Sonne über ihnen scheinen zu sehen. Wie konnten Pflanzen ohne die Strahlen und die Wärme der Sonne so dermaßen glühen? Doch dann sah ich in den Himmel und ein lauter Donnerschlag ließ mich erschrocken zusammenfahren. Der schönste Anblick meines Lebens jedoch blieb trotzdem dort, wo er war.
Nun wunderte es mich nicht, dass so viele Touristen früher hierher gekommen sein mussten. So eine Kulisse war bestimmt selbst in der Welt bis vor acht Monaten
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