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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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gegen die Wand.
     

26
    Nach einer Woche als Durhams Gast suchte Maria nach einem Ort, wo sie bleiben konnte.
    Ihr Zorn hatte, sich gelegt, die Taubheit des Schocks war verflogen, und die fünfte oder sechste Welle von Zweifeln war schließlich vorbei. Trotzdem, sie fühlte sich noch immer von der Fremdartigkeit der neuen Wahrheiten wie paralysiert, die zu akzeptieren sie nun gezwungen war: ihr Exodus aus der Welt der Fleisch-und-Blut -Menschheit; intelligentes Leben im Autoversum. Sie wußte nicht, wo sie beginnen sollte, um all diesen Dingen einen Sinn zu entlocken. Sie hatte noch keinen festen Boden unter ihren Füßen.
    Sie hatte sich geweigert, ihrer Scan-Datei auf dem Weg in das nächste Leben Gepäck mitzugeben; sie hatte gedacht, daß es Durham wahrscheinlich amüsieren würde, wenn sie auch nur die geringsten Zugeständnisse an eine Kopie machte, von der sie behauptet hatte, sie würde niemals laufen. Und so hatte sie keine Umgebung, keine Möbel, keine Kleider; keine Erinnerungsfotos oder Tagebücher, keinerlei Andenken. Kein VR-Duplikat ihrer engen alten Terrasse gab ihr ein Gefühl von zu Hause. Sie hätte sich hinsetzen und alles aus ihrem Gedächtnis rekonstruieren können, Detail auf Detail setzen können – oder sie hätte die Architektursoftware eine vollkommene Imitation von allem direkt aus ihrem Gehirn ziehen lassen können –, aber sie fühlte sich nicht stark genug, um mit den daraus erwachenden emotionalen Widersprüchen umzugehen: dem Zerren der alten Welt, dem Anhaften der Selbsttäuschung. Statt dessen entschloß sie sich, eine der vorgefertigten Wohnungen in der Stadt selbst zu beziehen.
    Durham versicherte ihr glaubhaft, daß niemand ihr wegen des Gebrauchs öffentlicher Ressourcen Vorwürfe machen würde. »Natürlich könnten Sie auch ihre Kopie in Ihr eigenes Territorium kopieren und eine private Version auf Ihre eigenen Kosten betreiben – was die weitere Diskussion erübrigen würde. Aber dies hier ist der einzige Ort in ganz Elysium, der dem Begriff Platz in seinem alten Sinn nahekommt. Hier kann jeder durch die Straßen spazieren, hier kann jeder leben – und niemand kann nach Lust und Laune den Horizont verändern. Es würde eine weit hitzigere Debatte erfordern, hier auch nur die Farbe eines Straßenschildes zu ändern, als einen ganzen Bezirk umzusiedeln.«
    Also bot ihr Cyber-City ihre unechte, aber behördlich genehmigte quasi-objektive Umgebung gratis an, während ihr Quasikörper auf ihren eigenen Prozessoren in ihrem eigenen Territorium betrieben wurde – und beide Systeme durch den Austausch von Daten in Maria die Illusion erzeugten, über die Straßen der Stadt zu spazieren, schlanke stählerne Bauwerke zu betreten und leere Wohnungen zu erkunden, die nach Farbe hätten riechen müssen, es aber nicht taten. Sie fühlte sich nervös, so allein, und Durham begleitete sie, bemüht und zurückhaltend wie immer. Sein Bedauern schien bis zu einem gewissen Punkt aufrichtig zu sein – der Schmerz, den er in ihr geweckt hatte, war ihm nicht gleichgültig –, aber darüber hinaus schien er nicht die geringsten Zweifel zu haben: Er erwartete ganz offensichtlich, daß sie ihm früher oder später verzeihen würde, sie aufgeweckt zu haben.
    Sie fragte ihn: »Wie fühlt es sich an, siebentausend Jahre alt zu sein?«
    »Kommt darauf an.«
    »Auf was?«
    »Darauf, wie es sich anfühlen soll.«
    Sie fand eine Wohnung im Nordosten, auf halbem Weg zwischen dem Stadtzentrum mit seinem hohen Turm und den Randbezirken. Aus dem Schlafzimmer konnte sie auf die Berge im Osten sehen, den glitzernden Wasserfall, ausgedehnte Wälder. Es gab schönere Aussichten, aber die hier war ganz in Ordnung; alles Atemberaubende hätte sie nur wieder sich selbst bewußt werden lassen.
    Durham zeigte ihr, wie sie ihren Anspruch auf die Wohnung erheben mußte: ein kurzer Dialog mit der Apartmentsoftware. Er sagte: »Sie sind die einzige Elysianerin in diesem Turm. Sie können ihre Nachbarn programmieren, wie Sie möchten.«
    »Und wenn ich nichts mache?«
    »Vorgegebenes Verhalten. Sie gehen Ihnen aus dem Weg.«
    »Was ist mit den anderen Elysianern? Bin ich eine solche Sensation, daß sie kommen und mich besuchen wollen?«
    Durham dachte nach. »Ihr Aufwachen ist allgemein bekannt – aber die meisten Leute hier sind ziemlich geduldig. Ich bezweifle, daß irgend jemand so unerzogen sein und Sie auf der Straße ansprechen wird. Ihre Telefonnummer wird nicht im Verzeichnis auftauchen, bis Sie sich anders

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