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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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zu einer wissenschaftlichen Revolution. Es schien das einzig Verläßliche geblieben zu sein in einem Universum, das Willkür, Bequemlichkeit und Phantasie freien Lauf ließ.
    Sie bildete sich nicht ein, die Lambertianer selbst geschaffen zu haben, aber sie hatte immerhin an dem Entwurf ihrer Welt, ihrer frühen Geschichte gearbeitet. Und sie hatte ihnen ihren ersten Vorfahren zusammengebastelt, indem sie das Modell jemandes anderen, die Umsetzung eines irdischen Bakteriums, zur Evolution befähigt hatte. Und obwohl sie kaum berechtigt war, sich mit den Federn ihres hochentwickelten Nervensystems, ihrer offenen Verdauungstrakte und ihrem Selbstbewußtsein zu schmücken – sie konnte wohl kaum ihre Hände wegen des Schicksals der Lambertianer in Unschuld waschen. Sie hätte niemals geglaubt, daß der Planet zum Leben erweckt werden könnte, aber sie hatte dabei mitgeholfen, trotz allem.
    Ein Teil in ihr tobte noch immer wegen ihres Erwachens, betrauerte ihren schrecklichen Verlust. Das Leben im Autoversum willkommen zu heißen erschien ihr wie ein Beleidigung der alten Erde – und ein Zeichen, daß sie sich mit dem abgefunden hatte, was Durham ihr zugefügt hatte. Auf der anderen Seite erschien es ihr pervers bis zur Geistesschwachheit, dem einen Ding den Rücken zuzukehren, das ihrem Leben einen Sinn zu geben vermochte – nur um Durham zu ärgern, seine Gründe, aus denen er sie geweckt hatte, zu einer Lüge werden zu lassen. Es mußte andere Wege geben, um ihm klarzumachen, daß sie ihm nicht vergeben würde.
    Ihre Wohnung – zuerst unvorstellbar groß, fast unbewohnbar – verlor langsam ihre Fremdheit. Am zehnten Morgen erwachte sie endlich in der Erwartung, die Aussicht aus dem Schlafzimmer so zu finden, wie sie war; wenn schon nicht im Frieden mit sich und ihrer Lage, dann zumindest nicht mehr länger überrascht, wo sie sich befand.
    Sie rief Durham an und sagte: »Ich mache bei der Expedition mit.«
     
    Die Kontaktgruppe belegte ein ganzes Stockwerk in einem Turm im Südosten. Maria hatte kein Interesse am Teleportieren und wanderte zu Fuß über die Überwege, die die einzelnen Türme miteinander verbanden. Sie ignorierte die allgegenwärtigen Marionetten und genoß die Aussicht. Sie kam wesentlich schneller voran als auf dem Straßenlevel, und nach und nach legte sich auch ihre Höhenangst. Die Brücken hier stürzten nicht durch unerwartete Vibrationen ein. Keine hinabrasenden Plexiglas-Röhren, die Menschen beim Aufprall auf die Straßen zerquetschten. Es machte keinen Unterschied, ob Malcolm Carter sich in der Baustatik ausgekannt hatte oder nicht: Die Stadt würde kaum im Labor auf Belastungsfähigkeit und Stabilität geprüft worden sein, um sicherzugehen, ob einige Teile versagen könnten – sie war per Definition absolut sicher.
    Durham erwartete sie im Foyer. Er nahm sie mit und stellte sie Dominik Repetto und Alisia Zemansky vor, den beiden anderen Projektleitern. Maria hatte nicht gewußt, was sie von ihrem ersten Kontakt mit Elysianern späterer Generationen zu erwarten gehabt hatte – aber sie zeigten sich beide als normal gekleidete Menschen, Mann und Frau, beide Ende Dreißig, die in keinem Büro im Sydney des einundzwanzigsten Jahrhunderts deplaziert gewirkt hätten. Vielleicht nur aus Respekt ihr gegenüber? Sie hoffte nicht – mit Ausnahme der allgemein innerhalb ihrer Subkultur akzeptierten Gebräuche, sich anderen gegenüber unbefangen zu verhalten und in jeder Gestalt aufzutreten, die ihnen gerade paßte. Repetto war ihr gegenüber in der Tat so liebenswürdig, daß sie fast vor dem Gedanken erschrak, er oder seine Eltern könnten ganz bewußt diesen Gesichtsausdruck modelliert haben. Doch was bedeutete heute noch menschliche Eitelkeit aus dem Zeitalter kosmetischer Chirurgie und genetischer Manipulation? Auch Zemansky war atemberaubend. Sie besaß dunkel gefleckte violette Augen und stacheliges blondes Haar. Durham hingegen erschien Maria fast unverändert – er war noch immer (jedenfalls für ihre Augen) der Mann, den sie im Jahr 2050 kennengelernt hatte. Langsam fragte sie sich, welchen Eindruck sie auf die jungen Elysianer machte. Wahrscheinlich den eines Fossils, das man erst kürzlich ausgegraben hatte.
    Repetto schüttelte ihr die Hand, als wollte er nie wieder loslassen. »Es ist eine große, große Ehre für mich, Sie kennenzulernen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr Ihre Arbeit uns alle inspiriert hat.« Sein Gesicht strahlte, er schien es vollkommen aufrichtig

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