Dämonisches Tattoo
ihr den Kaffee vor die Nase und deutete auf die Sandwiches. »Greifen Sie zu.«
Der Wunsch nach Antworten brannte stärker als der Hunger. »Haben Sie nachgedacht?«
Anita nickte.
»Und?«, bohrte Kate nach.
»Versuchen wir es.«
Gott sei Dank!
»Ich hätte da auch schon eine Idee«, platzte Kate heraus. »Sie könnten einen USB-Stick auf Ihrem Schreibtisch platzieren und behaupten, dass sich darauf Quinns Aussage befindet, Sie aber noch nicht dazugekommen sind, sie sich anzuhören. Wenn Cassell Wind davon bekommt, wird er versuchen den Stick verschwinden zu lassen – und schon haben wir ihn!«
Anita schüttelte den Kopf. »Dann haben wir ihn bestenfalls wegen Beweismittelunterschlagung. Dafür können wir ihn zwar anklagen, aber es reicht nicht, um ihn einzubuchten.« Sie sah Kate lange an, so lange, dass die begann, sich vor ihren nächsten Worten zu fürchten. Wie sich herausstellte, zu Recht. »
Sie
werden der USB-Stick sein.«
»Wie bitte?«
»Er wird denken, dass Sie eine Zeugenaussage machen, die ihn belasten kann, und wird Sie angreifen. Dann können wir ihn wegen Mordversuchs fassen und tatsächlich einsperren.«
Kate stöhnte. Großartig. Chase hatte sie fortgeschickt, um sie nicht in Gefahr zu bringen, und jetzt sollte sie sich als Köder zur Verfügung stellen. Trotzdem musste sie nicht lange darüber nachdenken. »In Ordnung«, stimmte sie zu. »Ich mache es.«
31
Es war der Morgen des dritten Tages ohne Kate, als Chase lange vor Sonnenaufgang aus einem unruhigen Schlaf erwachte und unter die Dusche ging. Schon kurz nachdem er das Wasser aufgedreht hatte, breitete sich warmer Dampf in der Duschkabine aus. Unter anderen Umständen hätte die Wärme entspannend gewirkt, heute jedoch half sie nicht, ihn zur Ruhe kommen zu lassen. Die Warterei machte ihn verrückt. Seit Kate fort war, kam ihm selbst dieses kleine Haus riesig und vor allem leer vor. Ihr gestriger Anruf war der einzige Lichtblick während der letzten Tage gewesen – auch wenn er im ersten Moment darüber erschrocken war. Doch sie hatte recht gehabt: Ohne technische Hilfsmittel konnte er über das Handy nicht herausfinden, wo sie war.
Seit sie aufgelegt hatte, erschien ihm die Stille noch viel durchdringender.
Während er darauf wartete, dass das Telefon klingelte und er endlich mit dem Indianer sprechen konnte, war ihm viel Zeit geblieben, über Kate und sich nachzudenken. Es war beinahe schon beängstigend, wie wichtig sie ihm in den wenigen gemeinsamen Tagen geworden war und wie gern er sie um sich hatte.
Genug Wärme. Er drehte den Wasserhahn bis zum Anschlag nach links, der eisige Wasserstrahl traf auf sein Gesicht und seinen Körper und ließ ihn schlagartig hellwach werden. Auch wenn es noch nicht einmal halb sechs Uhr morgens war, wollte er nicht zu viel Zeit abseits des Telefons verbringen und dabei riskieren, Quinns Anruf zu verpassen, deshalb stellte er das Wasser ab, rubbelte sich mit einem Handtuch trocken und zog sich an. Als er ins Wohnzimmer kam, warf er als Erstes einen Blick auf das Handy. Keine Anrufe in Abwesenheit.
Kein Lebenszeichen von Joseph Quinn und noch immer gab es keine Verbindung zum Killer. Chase war klar, dass er versuchte ihn zu zermürben, indem er erst Kates Leben bedrohte und dann auf Tauchstation ging. Doch das Wissen, dass der Mann es absichtlich tat, änderte nichts daran, dass sein Plan aufging und Chase kurz davorstand, durchzudrehen. Die Vorstellung, noch länger untätig zu sein und darauf warten zu müssen, was als Nächstes geschah, war kaum auszuhalten.
Er wollte sich gerade Frühstück machen, als das Handy klingelte. Halb hoffte er, Kates Namen auf dem Display aufblinken zu sehen, stattdessen zeigte es einen unbekannten Teilnehmer an.
»Hallo?«, meldete er sich.
»Was wissen Sie über meinen Großvater?« Nicht die Begrüßung, die Chase erwartet hatte, aber zumindest deutlich genug, um zu wissen, wer am anderen Ende der Leitung war. Endlich.
»Er hat ihn.«
»Cassell?«
»Nein.« Chase schüttelte den Kopf. »Der, den Cassell finden will.«
Der Indianer stieß einen Fluch aus.
»Ich brauche Ihre Hilfe«, kam Chase ohne Umschweife zur Sache. »Wenn wir den Killer – und Ihren Großvater – finden wollen, muss ich alles über diese Verbindung wissen.«
»In Ordnung. Vielleicht ist es sinnvoll, wenn Sie sich Notizen machen«, meinte Quinn. »Haben Sie etwas zu schreiben?«
»Nicht am Telefon.«
»Ich glaube nicht, dass ich mich irgendwo blicken lassen sollte«, gab der
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