Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
Doch er lebte. Rufus schleppte ihn zur Schwelle ihres Häuschens, wo die anderen schon verzweifelt gegen die Tür hämmerten.
»Lasst uns rein! Lasst uns rein!«, riefen sie.
»Großvater muss doch noch abgesperrt haben!«, schrie Rufus. »Wach auf da drinnen!«
Während Tully sich den Hals hielt, schaute er die Straße hinab, wo der Schatten das Holzscheit gerade hoch über den Kopf erhob, um einen letzten, tödlichen Treffer zu landen. Der Böse Hirte tobte und spuckte Gift und Galle, forderte das seltsame Phantom auf, endlich zuzuschlagen.
»Tu es«, hauchte Tully. »Töte den tollwütigen Hund!«
Der Schatten versteifte sich, die Waffe zitterte in seinem Griff. Dann entspannte sich seine Haltung und er trat zurück. Mit einer Armbewegung gab er dem Bösen Hirten zu verstehen, dass er sich trollen sollte, und drehte sich dann um, um zurück zu den Kindern zu laufen.
Doch der Böse Hirte dachte gar nicht daran, sich zu tummeln. Außer sich vor Wut rannte er zu dem Holzstapel und griff sich eine weit tödlichere Waffe. Von Sinnen kreischend schwang er eine Axt über dem Kopf und warf sich auf den Schatten.
»Pass auf!«, wollte Tully brüllen, doch seine Stimmbänder waren gequetscht. Über all dem panischen Geschrei der anderen Kinder, die seinen Großvater wecken wollten, war er nicht zu hören.
Schon sauste das scharfe Blatt der Axt durch die Luft. Im allerletzten Augenblick spürte der Schatten die Gefahr und wich aus. Funken sprühten, als die Schneide gegen eine Steinmauer donnerte. Zornentbrannt brüllte der Böse Hirte, wirbelte auf dem Absatz herum und verpasste dem Schatten einen Hieb mit dem Ellbogen, sodass dieser zu Boden sank. Wieder erhob der Unhold die Axt. Nun gab es kein Entrinnen mehr.
Die Kinder konnte es kaum mit ansehen. Wer oder was der Schatten auch sein mochte, gegen solch ungezügelte Grausamkeit und solchen Wahnsinn konnte er nicht bestehen. In den überquellenden Augen des Bösen Hirten war kein Anzeichen von Vernunft oder Mitgefühl, nur ein unersättlicher, abartiger Zwang, zu metzeln und zu zerstören.
»Er wird ihn in Stücke hauen«, murmelte Muddy Legs und fühlte sich auf einmal schwach auf den Beinen. »Wie Schattenblut wohl aussieht?«
Peasy und Benwick hielten sich die Augen zu.
Dann geschah das Unglaubliche. Ein Schwall von orangenem Feuer ergoss sich in die Straße. Es prasselte aus der kleinen Gasse zwischen dem Häuschen von Meisterin Sarah und dem stinkenden Verschlag. Einen Herzschlag lang erhellte es die Nacht und sie alle fühlten die Hitze auf ihren Gesichtern. Der Böse Hirte hielt inne, ein Hauch von Zweifel trat in seine vom Wahnsinn entstellte Miene.
Dann wogte erneut eine brüllende Stichflamme durch die Straße. Was für ein gefährliches Wesen mochte nun im Anmarsch sein?
»Ist das ein Drache?«, murmelte Lynnet, die mittlerweile bereit war, an alles zu glauben.
Eine dritte Flamme wollte knisternd durch die Straße, dann trat der Feuerspucker selbst aus der Gasse.
Tully traute seinen Augen nicht. Er rieb sie sich flugs und schaute noch einmal hin. Zu seiner endlosen Verblüffung kam Pog, die Rübenlaterne, herbeispaziert. Die faserigen Wurzeln, die aus seinem Kinn sprossen, waren zu dürren Beinchen gewachsen und trugen ihn wie eine Spinne. Aus dem Mund mit den Stummelzähnchen leckten Flammen, auch aus den dreieckigen Augen floss Feuer. Die Laterne trippelte auf den Bösen Hirten zu, um ihm die Stirn zu bieten.
Der Mann ließ die Axt langsam sinken. Doch dann brüllte er röchelnd auf und schüttelte trotzig den Kopf. Wahnsinnig schreiend hob er die Waffe erneut in die Höhe, um die gestürzte Schattengestalt zu kleinen Stücke zu verarbeiten.
Pog spuckte prasselnde Flammen und ging zum Angriff über. Als er an den Kindern vorbeilief, erwachten auch deren Laternen mit einem Mal zum Leben, rissen sich von ihren Schnüren los und rannten Pog zu Hilfe.
Acht verzauberte Rübenjacks hüpften und hoppelten die Straße entlang und bespuckten den Bösen Hirten wütend mit Flammenbällen. Die zerfledderte Robe des Mannes fing Feuer und auch sein Bart begann zu brennen. Der Unhold veranstaltete ein noch viel irreres Geschrei als zuvor, warf die Axt fort und floh, die Rübenlaternen dicht auf seinen Fersen, aus dem Dorf.
Tully und die anderen beobachteten staunend, wie die Gestalt in die Nacht entschwand und von ihren Rübenjacks verfolgt wurde. Wie war das nur möglich?
»Wenn der Bösewicht erst jenseits eurer Grenzen ist«, sagte da eine Stimme,
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