Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
der Ferne stets im Auge behielt. Ein paarmal schluckte sie nervös, als sie den Wärter dort entlanglaufen sah. Dann kroch sie ein Stückchen weiter zur Hausecke vor. Einmal dort, wartete sie ab und lehnte sich behutsam vor. Es war so finster, dass sie Yikker kaum noch ausmachen konnte. Hätte er nicht die gelbe Gardeuniform getragen, wäre er mit der Düsternis völlig verschmolzen. Mit angehaltenem Atem beobachtete Maggie, wie er wieder in Richtung Haupttor marschierte und schon bald darauf hinter Janglers Hütte verschwand.
Sofort rannte Maggie um das Gebäude herum. Sie legte ein Ohr an die Tür des Geräteschranks und lauschte. »Jody!«, wisperte sie drängend. »Jody, ich bin’s, Maggie. Kannst du mich hören? Bist du wach?«
Lange Zeit herrschte Grabesstille.
So leise wie möglich klopfte Maggie gegen das Holz. »Jody«, versuchte sie es noch einmal. »Jody?«
Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung hörte sie ein schwaches Stöhnen. »Wo …?«, ertönte eine schwache, ausgedörrte Stimme. »Wer …?«
»Maggie«, wiederholte sie. »Ich hab –«
»Lass mich raus!«, bettelte die Stimme. »Lass mich raus!«
»Psst!«, zischte Maggie. »Ich darf nicht hier sein. Aber ich habe dir Wasser mitgebracht. Schau nach oben.«
Den ganzen Tag über hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie Jody durch die verriegelte Tür Wasser zuschleusen konnte. Erst nachdem sie einen nicht ganz ziellosen Spaziergang durchs Lager gemacht hatte, war ihr aufgefallen, dass die Tür am oberen Rahmen nicht richtig schloss. Sie stand einen Spaltbreit ab, zwar nicht viel, aber es würde reichen.
Maggies Eimer enthielt nicht nur Wasser, sondern auch Charms großen Schwamm, den sie in vier kleine Stücke gerissen hatte. Nun griff Maggie hinein und ging sicher, dass jedes davon vollgesaugt war. Dann schob sie das erste vorsichtig durch den Spalt. »Ladung kommt!«, flüsterte sie.
Der triefende Schwamm fiel innen auf den Boden. Sie hörte, wie Jody in der Dunkelheit danach suchte, ihn dann gierig an die Lippen drückte und aussaugte. Zweimal wiederholte Maggie das Prozedere.
»Gott segne dich!«, rief Jody dankbar. »Du bist ein Engel.«
»Einen hab ich noch«, sagte Maggie leise. »Dann muss ich weg.«
»Nein«, bettelte Jody. »Ich schiebe sie dir wieder nach draußen. Gib mir bitte mehr, bitte!«
Maggie blickte sich um. Jeden Augenblick würde Yikker wieder am Tor vorbeikommen. Seine empfindliche Nase würde sie sofort riechen, sobald er näher kam. Marcus musste sein Ablenkungsmanöver starten, damit sie wieder sicher in ihre Hütte kam. »Ich kann nicht bleiben«, wisperte sie entschuldigend, während sie den letzten Schwamm durch die Öffnung drückte. »Ich muss wirklich zurück.«
Drei fast staubtrockene Schwämme lugten durch den Türspalt. »Bitte!«, bettelte Jody. »Bitte! Ich überleb das nicht, es bringt mich um … so, so großen Durst.«
Maggie schloss die Augen und nickte. »Okay.« Sie tunkte die Schwämme noch einmal in den Eimer.
Plötzlich erfüllte Yikkers Kreischen die Nacht. Das Ablenkungsmanöver war in vollem Gange.
Marcus hatte die sieben Minuten, die er Maggie genannt hatte, abgewartet. So lange brauchten die Wärter durchschnittlich für ein Viertel des Wegs. Als die Zeit um war, öffnete er leise die Tür des Blockhauses und setzte Gnasher auf der Veranda ab.
»Dann also los, kleiner Kumpel!« Er nahm die Schere aus der Tasche. »Schnupper das leckere Minchet. Dir hängt der Magen vor Hunger bestimmt schon zwischen den Knien.«
Er wartete, bis der Große Gaagler die Fährte aufgenommen hatte, die er und die Mädchen gelegt hatten. Das kleine Ungeheuer wurde ganz aufgeregt und begann zu sabbern.
»Ja, da stehst du drauf, was? Einfach immer der Rotznase nach, dann gibt’s feine Schleimpampe.« Er schnitt die Schnürsenkelfesseln durch, hüpfte flink zurück und schloss die Tür.
Die drei verkrüppelten Beine baumelten nutzlos herum, aber seine anderen fünf streckte Gnasher, stampfte dann auf und stemmte den haarigen Rumpf vom Boden. Nachdem er so lange zusammengeschnürt gewesen war, machte er erst einmal einige zögerliche Probeschrittchen. Er stolperte durch die Gegend, knurrte die Tür und Marcus’ Umriss hinter dem Fenster schrill an.
»Halt’s Maul!«, murmelte der Junge und scheuchte den Gaagler fort. »Hau ab, mach schon, hol dir dein Happa-happa.«
Der Große Gaagler hämmerte mit seinem Gesicht gegen die Tür und erwischte genau das Brett, das man über das Loch genagelt
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