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Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel

Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel

Titel: Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Jarvis
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Charm und wischte sich die Augen trocken. »Ich hab versprochen, dass ich dich finde, sobald das Buch bei mir wirkt, und dir Geld bringe. Na ja, Kohle hab ich keine, aber das hier ist um Welten besser.«
    »Ein Geschenk, für mich?«
    »Ja.«
    Der Lärm der heimkehrenden Menge wurde lauter. Schon konnten sie die Rufe und den Jubel für den Kreuzbuben und das Lob für Ironheart, sein prächtiges Ross, hören. Lee wurde unruhig und wollte schleunigst fort. Er zog sich die Kapuze über und wartete ungeduldig.
    »Ich weiß nicht, womit ich Eure Barmherzigkeit verdient habe«, sagte die Witwe, als sie den Beutel öffnete und hineinlugte. »Was für Wunder sind dies nun wieder?«
    Charm brachte ein kleines Lächeln zustande. »Lipgloss und Lidschatten von Rimmel und Max Factor«, erklärte sie. »Bodylotion und Hautcreme von Olay und Garnier – mehr Feuchtigkeitscreme hatte ich nicht. Du hast gesagt, dass du dein Make-up so vermisst, wenn du hier bist. Und die Cremes werden deinen Händen super helfen!«
    »Solche Schätze!«, hauchte die Waschfrau. »Daneben verblassen selbst die Tinkturen der Herzkönigin! Wie kann ich Euch jemals danken?«
    »Hey, ein Mädchen wird seine Mum ja wohl noch verwöhnen dürfen!«
    »Wir müssen jetzt los!«, drängte Lee.
    Witwe Tallowax drückte den Beutel an sich und sah zu, wie die beiden zur Tür eilten. Sie verstand nicht, was das Ganze sollte, aber ihr war sehr wohl bewusst, dass das arme Kind litt. »Junge Maid!«, rief sie plötzlich. »Wenn ich Eure Mutter wäre, wäre ich mehr als stolz, Euch meine Tochter zu nennen.«
    Charm blickte sich ein letztes Mal zu ihr um. »Falls du dich an das hier erinnern kannst, wenn du das nächste Mal aufwachst«, ihre Stimme wurde brüchig, »dann setz Onkel Frank vor die Tür. Er ist … Er ist nicht, wofür du ihn hältst.«
    Damit konnte die Waschfrau rein gar nichts anfangen. Verdattert blickte sie den beiden Fremden, die sich zum Gehen wandten, hinterher. Als sie sich erneut in ihren Schaukelstuhl setzte, um die unbeschreiblichen Geschenke näher in Augenschein zu nehmen, überkam sie plötzlich das Gefühl, etwas verloren zu haben. Der Beutel entglitt ihren Fingern und sie fasste sich an die Brust. Es war, als hätte man ihr das Herz herausgerissen. Sie konnte an nichts anderes denken als an das unglückliche Gesicht dieses Mädchens. Eilig rannte sie zur Tür.
    Der Hof lag verlassen da, abgesehen von der Wäsche, die sachte im Wind baumelte.
    »Kommt zurück!«, rief Witwe Tallowax, rannte los und verhedderte sich im trocknenden Linnen. »Bitte, kommt zurück! Bleibt noch, Kind.« Tränen rannen über ihr Gesicht. Taumelnd kehrte sie ins Waschhaus zurück, während sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen und sich einen Weg in die Freiheit bahnen wollten. Sie hatte diese Maid schon einmal gesehen, irgendwo weit, weit fort von hier, in einem anderen Leben …
    »Cookie Dough«, murmelte sie. »Mein Geschmack ist Cookie Dough.« Sobald ihr diese merkwürdigen Worte über die Lippen gekommen waren, sank sie gegen die Wand, wie ein Ritter, den man vom Pferd geholt hatte.
    »Oh Gott!«, schrie Mrs Benedict und blickte sich fahrig um. Endlich fiel ihr alles wieder ein. Sie wusste, wer sie war. Sie wusste alles.
    »Charm!«, rief sie panisch. »Charm! Wo bist du? Baby!« Sie stürzte aus dem Haus, riss dabei die Wäsche von der Leine und schrie nach ihrer Tochter. »Ich komm dich holen! Versprochen!«
    Dann wurde sie von einer gewaltigen Macht ergriffen und fing an zu schlottern. Abermals begann der Umriss der Witwe Tallowax zu flackern, bis Mrs Benedict für immer aus Mooncaster verschwand. An ihrer Stelle schlüpfte erneut die Frau, die die Erstbesetzung der Witwe Tallowax war, in deren Röcke und die Schürze und stand kurz benommen da. Dann riss sie sich zusammen und starrte entsetzt auf die verstreuten nassen Kleider am Boden.
    »Wer hat meine gute, saubere Wäsche von der Leine gerissen?«, zeterte sie. »Dieser Jockey, nichts als Unfug hat er im Kopf!«
     
    Charm und Lee schlugen die Augen auf. Sie lagen wieder auf Lees Bett.
    Das Mädchen schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Danke«, sagte sie.
    Er küsste sie.
    Lange lagen sie sich in den Armen, bis Spencer schüchtern zu ihnen nach oben kam und sie warnte, dass es bald acht sein würde. Charm stand auf und ging in ihre Unterkunft.
    Lee rollte sich auf den Rücken und starrte die Decke an. Noch wusste er es nicht, aber der kommende Tag würde der schwärzeste seines Lebens werden.

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