DARKNET
getan hatten.
Von der Rückseite des Hauses führte ein geschlossener Steg zu etwas hinüber, das aussah wie ein modernes Kongressgebäude aus Rauchglas und Granit.
Der Maybach hielt im Schatten einer zweiflügeligen Marmortreppe, die sich vom Portal des Hauses herabschwang. Philips stieg aus der Limousine, während ihr ein rotlivrierter Page den Schlag aufhielt.
Boynton war aus dem Suburban gesprungen und ging an ihr vorbei. «Hier entlang, Doctor.»
Philips folgte Boynton durch ein Labyrinth prächtig möblierter Flure und Räume, wo überall bewaffnete Wachen standen. Sobald sie einen Raum betraten, piepten die im Türrahmen angebrachten Radiofrequenzsensoren, die ihre Bewegung registrierten.
Sie begegneten zielstrebig dahineilenden Zweier- und Dreiergrüppchen von Leuten in tadellosen Anzügen und verschiedenen Uniformen.
«An diesem Projekt sind also nicht nur KMSI -Truppen beteiligt?»
Boynton nickte zerstreut. «Wir mussten mehrere Dutzend Militärfirmen zusammenholen, um die nötigen Leute zu bekommen. Und erst recht natürlich die nötige Kompetenz.»
Philips folgte Boynton in einen hallenden Ballsaal, dessen Größe sie sprachlos machte. Überall standen auf Teppichinseln edle Sitzgruppen, und der ganze Saal schwirrte von Aktivität. Leute unterschiedlichsten ethnischen Hintergrunds, allesamt Militärs oder elegant gekleidete Zivilisten, kamen und gingen oder bewegten sich im Saal umher und unterhielten sich leise auf Englisch, Mandarin, Arabisch, Tagalog, Russisch und etlichen anderen Sprachen, die sie nicht identifizieren konnte. Der Raum war gut und gern zwölf Meter hoch. Philips legte den Kopf in den Nacken, um die Fresken zu betrachten. Sie war einmal in Versailles gewesen, ehe sie zur NSA gegangen war, aber vom Palast des Sonnenkönigs ging eine kastrierte Art von Größe aus. Dieser Palast hingegen atmete gegenwärtige, ungebrochene Macht.
«Doctor.»
Philips drehte den Kopf und sah Boynton auf ein erlesenes Damastsofa zeigen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er schon weitergegangen war. Sie ging zu ihm.
«Bitte, setzen Sie sich. Man wird Sie bald holen.» Er deutete mit dem Kinn auf ein langes Buffet mit livriertem Personal. «Bedienen Sie sich. Die Wachteln sollen ausgezeichnet sein. Aus eigener Jagd.»
«Danke nein.»
Boynton eilte, auf die Uhr schauend, davon, und Philips setzte sich auf das Sofa. Sie ließ den Blick über die Wände schweifen, betrachtete die riesigen Gemälde. Sie wirkten wie eine Kreuzung aus Hofporträts und Werbeplakatwänden, zeigten Schlachten aus dem Freiheitskrieg des achtzehnten Jahrhunderts, Landschaften, Eisenbahnbarone des neunzehnten Jahrhunderts, auf Spazierstöcke gelehnt. Die vergoldeten Rahmen waren üppig verziert.
Philips betrachtete die Grüppchen von Leuten, die sich leise und ernsthaft unterhielten. Offiziere nickten und zeigten auf Satellitenfotos – alles ganz offen. Was war das hier? Es war wie die NSA ohne interne Sicherheitsmaßnahmen und mit einem völlig außer Kontrolle geratenen Einrichtungsbudget.
Philips lehnte sich zurück und rief sich in Erinnerung, was sie vorhin über Operation Exorcist gelesen hatte. Die zeitgleiche, restlose Eliminierung des Daemon aus kritischen Datenbanken in aller Welt. Ein Daemon-Blockerpatch, der in der Lage war, das Selbstzerstörungssignal an infizierte Netzwerke zu unterbinden. Ein ehrgeiziger Plan, aber einer, der eindeutig nicht darauf abzielte, den Daemon zu zerstören – der ihn nur daran hindern sollte, seinerseits bestimmte Zielunternehmen zu zerstören.
Die Frage war, wie sie die Ressourcen dieser Leute dafür nutzen konnte, ihren eigenen Plan umzusetzen: die Zerstörung des Daemon.
Philips musste eingedöst sein, denn eine Stunde später schreckte sie eine dröhnende Stimme ganz in ihrer Nähe auf. Ein älterer hängebackiger Texaner im Maßanzug klopfte einem chinesischen Politiker herzhaft auf den Rücken und sagte mit breitem Südstaatenakzent: «Na, schon eingelebt? Zufrieden mit der Behandlung hier, Genr’l Zhang?» Er lächelte breit und fiel ins Mandarin.
«Ni hao ma? Wo feichang gaoxing you jihui gen nin hezuo?»
Noch immer lächelnd, schüttelte er dem Chinesen die Hand.
Der «General» im Armani-Anzug nickte grimmig zurück und erwiderte die Begrüßungsgeste.
«Mr.Johnston, Gesundheit Ihrer Familie.»
Philips lenkte Johnstons Augenmerk auf sich. «Entschuldigen Sie, Genr’l.» Er schritt zügig auf Philips zu und richtete sein kräftiges Organ auf sie.
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