Darkover 19 - Retter des Planeten
würden, wenn sie an Jasons Stelle einen Fremden vorfanden. Er kam sich selbst wie ein Fremder vor - und dennoch mußte er am heutigen Abend in dieses Haus gekommen sein und mit den Leuten gesprochen haben. Verzweifelt durchwühlte er sein Gedächtnis nach einigen Fetzen der Waldläufersprache. Als Kind hatte er sie beherrscht. Er mußte zumindest so viel wieder zusammenbekommen, um mit der Frau zu sprechen, die ihrem fremdartigen Pflegekind eine gute Mutter gewesen war. Er versuchte seine Lippen den unbekannten Klangbildern entsprechend zu formen…
Erneut bedeckte Jay das Gesicht mit den Händen. Jener Teil seines Ichs, der sich an die Sprache der Waldläufer erinnerte, war Jason. Das war es, woran er sich erinnern mußte: Jason war weder ein Fremder, der ihn bedrohte, noch ein andersgearteter Eindringling, der sich seines Körpers bemächtigt hatte. Er war ein Teil seines Ichs, den er im Moment verloren und doch so verdammt bitter nötig hatte. Wenn es nur einen Weg gegeben hätte, Jasons Erinnerungen und Fähigkeiten zurückzuholen, ohne das eigene Ich aufgeben zu müssen… »Lassen Sie mich nachdenken«, sagte er zu dem Mädchen. »Lassen Sie mich… « Überrascht und entsetzt stellte er fest, daß seine Stimme in eine andere Sprache überkippte. »Stören Sie mich bitte nicht, ja?«
Vielleicht, dachte Jay, kann ich meine Identität bewahren, wenn ich mich auch an den Rest erinnere. Dr. Forth hatte behauptet, daß Jason sich an die Waldläufer mit freundlichen Gefühlen und nicht mit Ablehnung erinnern würde.
Jay durchstöberte seine Erinnerungen, fand aber abgesehen von den bekannten Frustrationsgefühlen nichts: Er hatte mehrere Jahre fernab vom Erbe der Menschheit in einer fremdartigen Landschaft zugebracht, gestrandet und preisgegeben.
Mein Vater hat mich verlassen. Er hat mit dem Flugzeug eine Bruchlandung gebaut. Ich habe ihn nie wiedergesehen, und ich hasse ihn, weil er mich alleingelassen hat…
Aber sein Vater hatte ihn nicht preisgegeben. Er hatte die Bruchlandung nur deshalb gebaut, weil er versuchen wollte, sie beide zu retten. Niemand hatte Schuld daran…
Ausgenommen mein Vater. Schon der Versuch, über die Hellers und ein Land hinwegzufliegen, in das Menschen nicht gehören…
Er hatte auch nicht dorthin gehört. Und doch hatten die Waldläufer, die in seinen Augen kaum mehr waren als herumstreunende Tiere, das fremdartige kleine Kind mit in ihre Stadt und ihr Heim genommen und in ihr Herz geschlossen. Sie hatten ihn geliebt. Aber er…
»Ich liebte sie auch«, hörte ich mich halblaut sagen und stellte fest, daß Kyla meinen Arm umfaßte und mich mit einem flehentlichen Blick ansah. Etwas benommen schüttelte ich den Kopf. »Was ist denn los?«
Mit zitternder Stimme erwiderte sie: »Du hast mich in Angst versetzt.« Sofort wußte ich, was geschehen war. Ein unbändiger Zorn auf Jay Allison stieg in mir hoch. Er gönnte mir nicht einmal das Quentchen Leben, das ich für mich erobert hatte, sondern mußte sich immer wieder in mein Bewußtsein drängen. Wie mußte er mich doch hassen! Aber ich haßte ihn sicher doppelt so stark. Ich verfluchte ihn. Und abgesehen von allem anderen hatte er auch noch Kyla beinahe zu Tode erschreckt!
Als ich sie so nahe vor mir knien sah, kam mir plötzlich der Einfall, auf welche Weise ich diesen kalten Fisch von einem Allison aus mir vertreiben und winselnd in die tiefsten Tiefen der Hölle zurückjagen konnte. Er war ein Mensch, der alles haßte - ausgenommen die kalte Welt, die er sich im Laufe seines Lebens zurechtgezimmert hatte. Kyla schaute zu mir auf. Ihr Gesicht erschien mir weich und schien gleichzeitig eine Bitte und Entschlossenheit auszudrücken. Ich streckte meine Arme nach ihr aus, zog sie an mich und küßte sie wild.
»Könnte dies ein Gespenst tun?« fragte ich. »Oder das?«
»Nein - oh, nein«, flüsterte sie und hob die Arme, um sie um meinen Hals zu legen. Als ich sie auf das süß duftende Moos zog, das dem Raum als Teppich diente, spürte ich, wie das dunkle Ebenbild Jay Allisons zerfloß, verwehte und sich auflöste.
Regis hatte recht gehabt. Es war die einzige Möglichkeit gewesen.
Der Waldläufer, den man den Alten nannte, war in Wirklichkeit überhaupt nicht alt. Sein Titel beruhte auf rein zeremoniellen Gründen. Er war sogar jung, nicht viel älter als ich, aber er besaß das sichere Auftreten, die Erhabenheit und den gleichen eigenartigen, undefinierbaren Charakter, der mir
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