Darling, fesselst du schon mal die Kinder?: Das heimliche Tagebuch der Edna Fry
geöffnet!
Stephen hab’ ich die Verantwortung für die Kinder übergeben. Oder umgekehrt, das weiß ich nicht mehr. Ich finde es wichtig, dass ein Vater schöne Momente mit seinen Kindern verbringt. Oder überhaupt ein paar Momente.
Der Abend begann an einem Ort namens Shot-Bar, von dem ich nicht wirklich überzeugt war, weil ich die Drinks ein bisschen zu klein fand. Aber dafür waren sie alle schön bunt – besonders nach dem Anzünden. Mrs. Ex-Barrowman-in-spe hatte T-Shirts mit dem Slogan »Paarspalterei ja bitte!« für uns drucken lassen. Ich trug meines nur unter Zwang und einer Strickjacke. Sie waren von einem scheußlichen Kirschrot – überhaupt nicht mein Fall, auch wenn ich die Forderung natürlich unterschreibe.
Danach zogen wir noch in die verschiedensten Etablissements weiter, die zwar auch nicht ganz meine Kragenweite waren, aber der Höhepunkt des Abends kam auch erst am Ende. Mrs. Ex-Barrowman-in-spe hatte Karten für Arnold Askew besorgt, den zweitbesten bauchredenden Hellseher der Welt. Das war vielleicht eine Show! Das Gebäude erzitterte bis in die Grundfesten, als er auf die Bühne stürmte, begleitet von wummernder Rockmusik, farbenfroher Pyrotechnik und seinem Kontrollgeist Mr. Pebbles.
Nun zähle ich mich normalerweise ja eher zu den Skeptikern, was solche Sachen angeht – immerhin wurde meine Tante Margaret alias Madame Jalfrezi in allenAnklagepunkten schuldig gesprochen, als sie nach der berüchtigen Haustier-Séance von Clerkenwell wegen Diebstahls unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeklagt wurde. Ich weiß nicht, ob es an seiner beruhigenden Art lag, an seinen vertrauenswürdigen Augen oder an seiner rotierenden Krawatte, aber ich muss sagen, Askew war absolut überzeugend. Von dem Augenblick an, wo er die Arme zur Decke streckte und mit Tränen in den Augen »Kannst du mich hören, Mutter?« rief, war ich hingerissen.
Uns blieb die Luft weg, als wir Marilyn Monroes Stimme aus dem Schnabel des kleinen Pinguins hörten, wir erschauerten, als Eleanor Roosevelt zu uns sprach, während Askew ein Glas Wasser trank, und Elvis Presley, während er einen Cheeseburger aß. Dann kam der Höhepunkt der Show. Mr. Askew bat das Publikum um Fragen an ihre Angehörigen, die schon »den letzten Schlaf schlafen«. Mrs. Winton war sofort dabei – sie wollte von ihrem Vater wissen, wie es ihm im Himmel gehe. Anscheinend ganz wunderbar – er trank da oben jeden Tag seine »Guddel Gier«. Über Mr. Pebbles beantworteten die Seelen alle Fragen, die ihnen gestellt wurden. Plötzlich kam mir ein Gedanke. Bevor ich noch wusste, was ich tat, schoss meine Hand in die Höhe.
»Ja gitte?«, fragte Mr. Pebbles. »Eine Frage von der Dage in der dritten Reihe?«
»Ähm … ja. Ich habe eine Frage an meine Großtante Audacia … ich meine Maude Blenkinsopp«, sagte ich. »Könntest du mir bitte verraten … was mit meinem Stephen nicht stimmt?«
Ich fürchte, liebes Tagebuch, mir schwirrt heute soder Kopf, dass ich nicht weiterschreiben kann. Und daran sind nicht nur der Absinth und das Red Bull schuld.
30. April, Samstag
Bin heute Morgen am ganzen Leibe zitternd aufgewacht. Hab’ zwei Aspirin genommen und bin wieder ins Bett.
Am Nachmittag wieder aufgewacht und immer noch gezittert. Nicht wegen des Katers, sondern wegen der Auskunft, die die Stimme der alten Dame mir gestern Abend erteilt hat. Ihre schrillen Worte hallen mir noch genauso durch den Schädel wie gestern Abend durch die Bacardi-Breezer-Arena. Wer hätte das gedacht? In den 16 Jahren unserer Ehe bin ich nie auf diesen Gedanken gekommen. Mein Stephen? Ich kann es nicht fassen, aber es muss wahr sein, schließlich habe ich die Information aus erstem Schnabel.
Mai
1. Mai, Sonntag
Es hat keinen Sinn! Ich darf es nicht länger in mich hineinfressen. Seit Freitagabend bin ich krank vor Sorge. Ich muss Stephen einfach mit Maude Blenkinsopps furchtbarer Offenbarung konfrontieren. Gleich nach dem Mittagessen. Ehebedrohende Krisen vertrage ich nicht auf leeren Magen …
Nun, das war eine traumatische Erfahrung. Ich hoffe nicht, dass ich je wieder ein solches Gespräch führen muss. Stephen behauptete, er hätte keinen blassen Schimmer, wovon ich überhaupt spräche, besonders was den Pinguin beträfe. Immer wieder leugnete er, aber am Ende musste er widerwillig alles gestehen.
Ich kann es noch immer nicht fassen. Mein eigener Mann – ein Vegetarier! Aber natürlich, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr
Weitere Kostenlose Bücher