Das Amulett der Seelentropfen (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
einzelnen Stern zählen können. Sie funkelten über den ganzen Nachthimmel und verstreuten so ihr weit entferntes mysteriöses Licht. Wie meist in solchen Nächten versuchte ich, die einzelnen Sternbilder zu erkennen, doch ich hatte nicht den geringsten Erfolg. Was durchaus damit zu tun haben konnte, dass ich nicht im Geringsten wusste, wo welche Himmelsrichtung lag. Mit Glück hatte ich derweilen ab und zu mal den Großen Wagen entdeckt, mehr aber auch nicht.
»Kannst du nicht schlafen?«, Craigs Stimme erklang aus dem hinteren Teil unseres behelfsmäßigen Verstecks. Sein Licht erzeugte fast dieselbe Wirkung wie das der Sterne, das ich eben noch so bewundert hatte.
»Mir ist kalt«, antwortete ich. Das Klappern meiner Zähne unterstrich meine Worte unbeabsichtigt. »Wie lange habe ich geschlafen?«
Craig lächelte mich ein wenig mitfühlend an.
»Nicht mehr als drei Stunden.«
»Oh…« Das war nicht besonders lange und es hieß, dass mehr als die Hälfte der Nacht noch vor mir lag. Ich versuchte, die Decken noch enger um mich zu schlingen. Etwas schwer, wenn man zwei Decken hatte und nicht das kleinste Löchlein übrig lassen wollte, in dass der beißende Wind schlüpfen konnte.
»Was machst du da?«, gluckste Craig und beobachtete mich mit hochgezogener Augenbraue. Ich versuchte weiter, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen und schenkte Craig nur einen funkelnden Blick.
»Ich versuche mich in die Decken zu wickeln, was denkst du denn?«
Er kicherte, was ihm einen weiteren finsteren Blick meinerseits einbrachte. Beinahe wäre ich bei meiner Zappelei aus dem Gleichgewicht gekommen und samt meiner vielschichtigen Daunenhaut, auf dem sicherlich noch viel kälteren Felsboden gelandet. Craig fand mich sehr amüsant, auch wenn es ihm sichtlich Leid tat, dass ich so frieren musste. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich den schleichenden Schlaf wieder spürte und eine weitere Ewigkeit, bis ich tatsächlich wieder einschlief. Der Glanz der Sterne und das tiefe Blau der Nacht waren einem hellen Rosafarbton gewichen, als ich das nächste Mal meine Augen öffnete. Erst jetzt sah ich, wie weit oben ich schon war. Die Bäume am Fuße des Berges waren nicht mehr, als winzige Miniaturausgaben ihrer selbst. Ich atmete tief ein und genoss für eine Sekunde die ungewöhnlich reine Luft. Sie war kühl und stach sogar ein wenig im Hals, aber sie weckte jeden meiner Sinne. Das Klettern war an diesem Tag nicht weniger anstrengend, aber immerhin sah ich besser und mit jedem holprigen Schritt, den ich tat, kam ich der Spitze etwas näher. Ich versuchte weitestgehend auf Tierpfaden zu gehen, aber diese wurden immer seltener, bis ich gezwungen war, mir meinen eigenen Weg zu suchen. Hatte ich heute Nacht noch gefroren, stand mir jetzt der Schweiß auf der Stirn und die Sonne fühlte sich unerträglich heiß an für einen Wintertag. Craig machte das alles nichts aus. Er ging an meiner Seite, ob ich nun an einer Felswand hinaufkletterte oder gerade einen Zweig von einer der verwaisten Tannen beiseite bog. Nur widerwillig hielt ich an, um aus meiner Wasserflasche zu trinken und meinen jetzt schon gequälten Füßen ein wenig Entspannung zu gönnen. Lange hielt ich allerdings nie an. Zwei Tage, länger hatte ich nicht mehr Zeit. Dieser Gedanke trieb mich immer wieder an und verdrängte das Pochen meiner schmerzenden Füße. Als die Sonne sich allmählich dem Horizont näherte und hinter dem Berg zu verschwinden drohte, beschleunigte ich meine Schritte immer mehr. Ich wollte nicht noch eine Nacht mit Zähneklappern vergeuden. Ich fluchte, als Craig mich zur Vernunft zwang. Es war unmöglich, den Gipfel noch heute zu erreichen. Es war einfach nicht möglich. Nicht für jemand so Normalen wie mich. Ein Speedkletterer vielleicht oder einfach ein geübter Bergsteiger, aber nicht ich. Diese Nacht hatte ich mehr Glück. Gerade als ich dachte, ich müsste unter absolut freiem Himmel schlafen, hörte ich Craigs leise Stimme, »Da drüben ist eine Höhle.«
Seine silbrige Hand deutete zu dem Felsen zu meiner Rechten. Ich hätte die Höhle nicht gesehen, wenn Craig mich nicht auf sie aufmerksam gemacht hätte. Sie war klein, aber dafür war es eine richtige Höhle. Die einzige Möglichkeit für den Wind, hier hereinzukommen war geradewegs durch die kleine Öffnung, die ich als Eingang nutzte. Ich war mehr als froh, als ich feststellte, dass wirklich kaum ein Lufthauch es bis zum Ende schaffte. Es war zwar immer noch unangenehm kalt, aber
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