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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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gefährlicher erscheint. Wir wollen aber nicht, dass jemand denken könnte, wir hätten Angst. Deshalb tun wir das Falsche, nur weil es gefährlich ist. Uns ist es wichtiger, furchtlos zu erscheinen, als richtig zu urteilen. Das ist sehr schwer. Deswegen habe ich dir keine richtige Antwort gegeben.«
    »Ich verstehe«, sagte der Bär.
    Sie verharrten lange in Schweigen. Besonders Will, der gegen die Kälte kaum geschützt war, kam es wie eine Ewigkeit vor. Doch Iorek war noch nicht fertig, und Will fühlte sich von dem Schlag noch schwach und benommen und noch nicht sicher auf den Beinen. Beide blieben da stehen, wo sie waren.
    »Nun, ich bin mancherlei Beziehungen mit den Menschen eingegangen«, sagte der Bärenkönig. »Vielleicht habe ich durch die Hilfe, die ich dir geleistet habe, den endgültigen Untergang auf mein Volk herabbeschworen. Doch dieser Untergang wäre so oder so gekommen; vielleicht habe ich ihn im Gegenteil auch aufgehalten. Ich bin im Zweifel, weil ich Dinge tun muss, die einem Bären schlecht anstehen, und ich grüble und zweifle wie ein Mensch. Eines muss ich dir noch sagen. Du weißt es eigentlich schon, nur willst du es nicht wissen, also sage ich es dir jetzt offen, damit du dich darüber nicht mehr selbst täuschen kannst. Wenn du bei deiner Aufgabe Erfolg haben willst, dann darfst du nicht länger an deine Mutter denken. Du musst sie eine Weile beiseiteschieben. Solange dein Geist gespalten ist, wird das Messer brechen. Ich gehe mich jetzt von Lyra verabschieden. Warte du in der Höhle; die beiden Spione werden euch nicht aus den Augen lassen. Ich möchte aber nicht, dass sie mithören, was ich ihr zu sagen habe.«
    Will fehlten die Worte, obwohl ihm das Herz voll war. Schließlich brachte er ein »Danke, Iorek« hervor, mehr konnte er nicht sagen.
    Gemeinsam mit Iorek ging er wieder zur Höhle hinauf, aus der sich immer noch der warme Schein des Feuers in die dunkle Nacht ergoss. Dort nahm Iorek noch einen letzten Schmiedevorgang an dem Magischen Messer vor. Er legte es in das immer noch kräftige Feuer, bis die Klinge glühte und zu Wills und Lyras Erstaunen in den rauchumwaberten Tiefen des Metalls in Hunderten von Farben zu tanzen begann. Als Iorek der Augenblick gekommen zu sein schien, befahl er Will, das Messer zu nehmen und in die Schneewehe draußen vor der Höhle zu stechen.
    Der Rosenholzgriff war angekohlt, doch Will umwickelte seine Hand mit mehreren Lagen eines Hemds und tat, wie Iorek ihm geheißen hatte. Im zischenden Dampf spürte er, wie sich die Atome der Klinge schließlich verbanden, und er wusste, dass das Messer nun wieder genauso scharf und die Spitze so unvorstellbar fein war wie früher. Allerdings sah die Klinge nun anders aus. Sie war kürzer und weniger elegant, und ein stumpfer silberner Hauch hatte sich über die Bruchlinien gelegt. Das sah hässlich aus, hässlich wie eine Wunde.
    Nachdem das Messer ausgekühlt war, verstaute der Junge es in seinem Rucksack. Dann setzte er sich, ohne auf die Spione zu achten, in die Höhle und wartete auf Lyra.
    Iorek hatte sie den Berghang hinunter zu einer Stelle geführt, die von der Höhle aus nicht eingesehen werden konnte. Dort setzte er sich und nahm Lyra in seine großen warmen Arme. Pantalaimon kuschelte sich in Mausgestalt an ihre Brust. Iorek neigte sich über sie und schnupperte an ihren angesengten, rußigen Händen. Wortlos leckte er sie sauber; seine Zunge linderte den Schmerz der Verbrennungen, und Lyra fühlte sich so sicher wie selten in ihrem Leben.
    Als ihre Hände von Ruß und Schmutz gereinigt waren, begann Iorek zu sprechen. Sie spürte die Vibration seiner Stimme in ihrem Rücken. »Lyra Listenreich, was ist das für ein Plan, zu den Toten zu gehen?«
    »Die Idee kam mir in einem Traum, Iorek. Ich sah Rogers Geist und spürte, dass er mich rief ... Du erinnerst dich doch an Roger. Nachdem wir uns von dir getrennt hatten, wurde er getötet, und das war meine Schuld, wenigstens empfand ich es so. Jetzt möchte ich zu Ende bringen, was ich angefangen habe. Ich muss zu ihm gehen und ihn um Verzeihung bitten, und wenn möglich ihn da herausholen. Falls Will einen Weg in die Welt der Toten öffnen kann, dann müssen wir es tun.«
    »Können ist nicht das Gleiche wie müssen.«
    »Aber wenn man muss und auch kann, dann bleibt einem keine Entschuldigung.«
    »Solange du lebst, hast du die Pflicht, dich um die Dinge des Lebens zu kümmern.«
    »Nein, Iorek«, widersprach sie sanft, »unsere Pflicht ist es,

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