Das Bild
aber war, dies war ein Bett, in dem
sie nie geschlafen hatte und nie schlafen würde.
Ein Monat war vergangen, seit sie das Haus achthundert
Meilen östlich von hier verlassen hatte, und ihre Lage hatte
sich erheblich verbessert. Momentan war ihr schlimmstes
Problem ihr Rücken, und auch der wurde besser; sie war
ganz sicher. Zugegeben, im Augenblick waren die Schmerzen in den Nieren schlimm und unangenehm, aber dies war
das achtzehnte Zimmer des Tages, und als sie im Whitestone
angefangen hatte, war sie nach zwölf Zimmern einer Ohnmacht nahe gewesen und konnte nach dem vierzehnten
nicht mehr - da hatte sie Pam um Hilfe bitten müssen. Vier
Wochen konnten den Zustand eines Menschen deutlich
verbessern, dachte Rosie, besonders wenn es vier Wochen
ohne harte Schläge in die Nieren oder die Magengrube
waren.
Trotzdem, für heute war es genug.
Sie ging zur Flurtür, streckte den Kopf hinaus und sah in
beide Richtungen. Sie sah nur ein paar vom Frühstück übriggebliebene Tabletts des Zimmerservice, Pams Wagen vor der
Lake Michigan Suite am Ende des Flurs und ihren eigenen
Wagen hier vor 624.
Rosie hob einen Stapel frische Waschlappen am Ende des
Wagens hoch, unter dem eine Banane lag. Sie nahm sie, ging
durch das Zimmer zu dem Plüschsessel am Fenster von 624,
und setzte sich. Sie schälte die Banane und aß sie langsam,
während sie über den See sah, der an diesem stillen, regnerischen Nachmittag im Mai wie ein Spiegel funkelte. Ihr Herz
und ihr Verstand waren von einem einzigen, schlichten
Gefühl erfüllt - Dankbarkeit. Ihr Leben war nicht perfekt,
jedenfalls noch nicht, aber es war besser, als sie an jenem Tag
Mitte April für möglich gehalten hätte, als sie auf der
Veranda von Daughters and Sisters gestanden und die
Sprechanlage und das mit Metall abgedeckte Schlüsselloch
gesehen hatte. In dem Augenblick hatte sie eine Zukunft
voller Elend und Not vor sich gesehen. Jetzt taten ihre Nieren
weh, ihre Füße taten weh, und sie wußte mit Sicherheit, daß
sie nicht den Rest ihres Lebens als Aushilfszimmermädchen
im Whitestone Hotel verbringen wollte, aber die Banane
schmeckte ausgezeichnet, und der Sessel unter ihr fühlte sich
herrlich an. In diesem Augenblick hätte sie ihren Platz im
Weltgefüge mit keinem anderen getauscht. In den Wochen,
seit sie Norman verlassen hatte, war sich Rosie der kleinen
Freuden immer deutlicher bewußt geworden: vor dem Einschlafen eine halbe Stunde lesen; sich mit den anderen
Frauen über Filme oder Fernsehsendungen unterhalten,
während sie gemeinsam den Abwasch erledigten; oder sich
einfach nur fünf Minuten Zeit nehmen, um sich hinzusetzen
und eine Banane zu essen.
Außerdem tat es gut zu wissen, was als nächstes kommen
würde, und überzeugt zu sein, es würde nichts Unerwartetes
und Schmerzhaftes sein. Zum Beispiel zu wissen, daß man
nur noch zwei Zimmer zu machen hatte, und dann konnten
sie und Pam mit dem Dienstbotenfahrstuhl nach unten und
zum Hinterausgang hinaus. Auf dem Weg zur Bushaltestelle
(sie konnte die Linien Orange, Rot und Blau inzwischen
mühelos auseinanderhalten) machten sie wahrscheinlich
einen Abstecher ins Hot Pot, auf einen Kaffee. Kleinigkeiten.
Einfache Freuden. Die Welt konnte so schön sein. Sie vermutete, daß sie das als Kind gewußt, es aber vergessen hatte.
Jetzt lernte sie es neu, und es war eine herrliche Lektion. Sie
hatte nicht alles, was sie sich wünschte, längst nicht, aber
vorerst hatte sie genug… zumal sie nicht wußte, wie der Rest
aussah. Das mußte warten, bis sie aus Daughters and Sisters
raus War, und sie hatte das Gefühl, als würde sie bald umzie hen, wahrscheinlich das nächstemal, wenn auf Annas Liste,
wie die Bewohnerinnen von D&S sie nannten, ein Zimmer
frei wurde.
Ein Schatten fiel über die offene Hoteltür, und bevor
sie auch nur überlegen
- wohin mit der halb gegessenen
Banane - geschweige denn aufstehen konnte, streckte Pam
den Kopf herein. »Ertappt, Baby«, sagte sie und kicherte, als
Rosie zusammenzuckte.
»Mach das nie wieder, Pammy! Ich hatte fast einen Herzschlag bekommen.«
»Oh, sie würden dich nie feuern, weil du dich hingesetzt
und eine Banane gegessen hast«, sagte Pam. »Du solltest
sehen, was hier sonst alles los ist. Was hast du noch übrig, 22
und 20?«
»Ja.«
»Soll ich dir helfen?«
»Oh, du mußt nicht -«
»Es macht mir nichts aus«, sagte Pam. »Wirklich nicht.
Wenn wir sie uns zusammen vornehmen, haben wir die zwei
Zimmer in fünfzehn Minuten fertig. Was sagst du dazu?«
»Ich sage ja«,
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