Das Blut von Magenza
schwere Beine und könnten nicht vor meinen geübten Soldaten davonlaufen. Aber da ich nicht weiß, welchen Grund Griseldis haben sollte, etwas Falsches zu erzählen, bin ich bereit ihr zu glauben.“
Der Kämmerer hörte auf zu kauen und lehnte sich nachdenklich zurück. „Außer, sie wollte absichtlich eine Begegnung mit dir herbeiführen, die den Anschein des Zufalls erwecken soll.“
„Selbst wenn dem so wäre, wüsste ich nicht, was ihr das einbrächte. Unsere Wege werden sich jedenfalls nicht wieder kreuzen“, sagte er bestimmt.
Battenheim
„Na, schau an, da wacht jemand auf“, hörte Hanno eine fremde Stimme sagen, als er die Augen öffnete. „Du fühlst bestimmt jeden einzelnen deiner Knochen! Rühr dich besser nicht!“
Doch Hanno überhörte die Warnung und richtete seinen Oberkörper auf. Er wollte wissen, wer mit ihm redete, fiel aber sogleich wieder zurück auf sein Lager. „Au, tut das weh“, schrie er laut.
„Ich hab‘s dir doch gesagt, junger Mann.“
Hanno hatte sich inzwischen an das Dämmerlicht gewöhnt und konnte eine ältere Frau erkennen, die nicht weit von ihm entfernt stand. Allerdings nahm er ihre Kontur nurverschwommen und als Doppelbild wahr. Er schloss die Augen rasch wieder, denn alles begann sich zu drehen und ihm wurde übel.
„Wo bin ich?“, presste er mühsam hervor.
„Im Bett.“
„Das denke ich mir. Ich meine: in wessen Haus?“
„Du befindest dich im Anwesen des Bolko von Cankor und ich bin Agnes, die ehemalige Kinderfrau.“
„Und was mache ich hier?“
„Hoffentlich gesund werden. Du verdankst deine Rettung übrigens Widukind, Bolkos Sohn. Ohne ihn würdest du wahrscheinlich längst in der Hölle schmoren.“
„Wer sagt denn, dass ich die Hölle verdiene?“, erwiderte er erstaunlich schlagfertig.
„Na, auf den Mund gefallen bist du jedenfalls nicht“, stellte Agnes lachend fest.
Hanno drehte den Kopf zur Seite und linste durch die halbgeöffneten Lider Richtung Fenster. Schwaches Licht fiel hinein, demnach war es entweder kurz vor Abend oder der Morgen brach gerade an. „Welchen Tag haben wir? Und ist es Morgen oder Abend?“
„Was denkst du?“
„Agnes, wenn er es wüsste, hätte er nicht gefragt, und es ist ein Gebot der Höflichkeit, Fragen zu beantworten“, wies eine sanfte Stimme die Kinderfrau zurecht. Ihr warmer Klang veranlasste ihn, trotz der Übelkeit seinen Kopf erneut zu heben. Nun erst erspähte er die junge Frau auf einem Stuhl in einer Ecke. Auch wenn er ihren Umriss nur erahnte, erschien sie ihm mit dem wallenden Haar und dem hellen Gewand wie ein Engel.
„Heute ist St. Stephanus und es ist bald Abend. Ich bin übrigens Yrmengardis, die Tochter von Bolko.“
Plötzlich fröstelte Hanno und zog die Decke bis ans Kinn. Dabei bemerkte er seinen verletzten Arm auf, der in einem starren Verband steckte.
„Ist dir kalt?“, fragte Yrmengardis.
„Etwas“, antwortete er. „Was ist eigentlich passiert?“
„Du erinnerst dich nicht?“
„Nein“, erwiderte er leise.
„Dann werde ich dir alles erzählen, Aber zuvor besorgt Agnes dir etwas zum Überziehen. Deine Kleider sind bei dem Überfall zerrissen worden und völlig verschmutzt. Sie müssen erst genäht und gewaschen werden.“
„Was für ein Überfall?“, stieß er hervor, erhielt zunächst aber keine Antwort.
„Du kannst ihm inzwischen die Salbe auftragen, während ich ein ausgedientes Hemd suche“, meinte Agnes und reichte Yrmengardis einen Tiegel.
„Gleich erfährst du alles, aber zuerst versorge ich deine Verletzungen. Schlag’ die Decke zurück, damit ich die Salbe auftragen kann.“
Hanno entblößte seinen Oberkörper. Die kühle Creme und Yrmengardis‘ Berührungen verstärkten sein Frösteln.
„Tut das weh?“
„Ich spüre es kaum.“
„Nun ist dein Rücken dran. Lass mich dir helfen, dich aufzusetzen“, sagte sie und stütze ihn sanft.
Hanno roch ihren zarten Duft, der ihn an Aprikosen und Sommer erinnerte. Kaum hatte er sich aufgerichtet, überkam ihn erneut der Schwindel. „Es dreht sich alles, ich muss mich wieder hinlegen“, keuchte er.
„Ich bin auch schon fertig“, sagte sie und betupfte seine Stirn mit einem feuchten Tuch. „Am besten du trinkst etwas von Agnes‘ Gebräu. Es schmeckt zwar nichtsonderlich gut, lindert aber die Schmerzen und beruhigt zudem“, sagte sie und hielt ihm den Becher hin.
Als der erste Tropfen seine Lippen benetzte, regte sich eine vage Erinnerung in ihm. „Ich habe schon einmal davon
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