Das Buch der Gleichnisse
Knöllchen! Das ist doch idiotisch! Die sind nicht gescheit! Sie sind sogar hier auf dem Gottesacker!«
Er lachte und dachte: Gottesacker! Stell dir vor, sie ist Herrnhuterin! Wie wenig man begreift! Wie wenig ich verstehe! Und er nahm vorsichtig den Strafzettel ab, der auf zweihundertsiebzig Kronen lautete, und sagte in einem Tonfall, den er selbst nicht verstand, beinahe wie mit geschwollener Zunge, Den rahme ich mir ein und häng ihn auf, als Erinnerung! , und sie sagte, Dann kriegen Sie nur eine neue Mahnung! , und er sagte, Dann bezahle ich die Mahnung und behalte diesen Strafzettel, und dann sagte sie, Hat echt Spaß gemacht, Sie zu treffen , und er sagte, Ebenfalls, wirklich! , und sie sagte, Wenn Sie einen echten Liebesroman schreiben, leih ich ihn in der Bibliothek aus , und er sagte, Dazu tauge ich nicht , und dann radelte sie los.
Das Auto war ein Saab 900. Er nahm den Strafzettel, trocknete ihn vorsichtig ab und legte ihn neben sich auf den Beifahrersitz.
Er würde ihn wirklich einrahmen.
Das Mädchen auf dem Fahrrad würde bald verschwunden sein. Er hatte sie wirklich gemocht. Ihre Tante Ellen hatte nach ihm gerufen. Schreib einen Brief, wenn ich tot bin. Warum sollte er das nicht glauben dürfen. Und was versuchte sie ihm zu sagen? War dies die Liebe?
Die Kapelle in der Mitte des Gottesackers auf dem Skogskyrkogården umschloss jetzt diese Tante Ellen, die ihm vielleicht eine Mitteilung hatte senden wollen über das Unmögliche, das so schön war. Er begann plötzlich heftig zu atmen, ermannte sich aber. Die Frontscheibe war getrocknet und vom Regen frisch gewaschen, aber auf seinen Augen war die Feuchtigkeit gleichsam noch da, und deshalb schaltete er den Scheibenwischer ein. Nach einer Weile wurde es besser, und da sah er alles klar.
Nach ein paar Minuten holte er sie ein.
Er fühlte sich plötzlich leicht und ruhig. Es war ein so schöner Tag. Als er an ihr vorbeifuhr, ließ er das rechte Seitenfenster herunter, um ihr etwas zuzurufen, aber sie kam ihm zuvor und rief lachend Ein Liebesroman! Hupen Sie, wenn Sie’s versprechen!
Er ließ die Scheibe wieder hoch und gab Gas, sie blieb zurück, sie trampelte wie wahnsinnig, und er sah, dass sie lachte. Das Fahrrad war bestimmt ein Monark mit Ballonreifen. Schreib einen Brief, wenn ich tot bin. Sie wurde kleiner und kleiner im Rückspiegel, er hob zögernd die Hand.
Signal?
*
Sehr still setzte sich der Kreuzfuchs auf den Boden hinterm Lokus und betrachtete die Zuhörer, die sich bereitmachten.
Sie waren drei, die sich jetzt setzten, um zuzuhören: der Großvater mit dem Enkel auf dem Schoß, und der Vater Elof war auch anwesend, auf die eine oder andere Weise. Er sah jetzt nettig und froh aus. Er hatte das Versprechen erhalten, die neun herausgerissenen Blätter für sich behalten zu dürfen.
Der Kreuzfuchs, ganz ruhig, betrachtete die drei Zuhörer mit einem kleinen Lächeln.
Zeit für ein Gleichnis. Dieses würde wohl viel stiller werden als die anderen, die sie gehört hatten. Die Rede im Gemeindehaus würde nie vollendet werden, darauf kam es auch nicht mehr an, er musste wohl stattdessen einen Brief schreiben. Vollständig berichtigt würde es nie werden.
Aber zuerst würden sie sich das Gleichnis des Kreuzfuchses anhören.
Es würde so spannend werden. Es war ein so schöner Abend. Das Kind würde ihn nie vergessen.
Über die Autoren
Per Olov Enquist, 1934 in einem Dorf im Norden Schwedens geboren, lebt in Stockholm. Er zählt zu den bedeutendsten Autoren Schwedens. Bei Hanser erschienen zuletzt Das Buch von Blanche und Marie (2005), Kapitän Nemos Bibliothek (Neuausgabe, 2006), die Filmerzählung Hamsun (2004), seine Autobiographie Ein anderes Leben (2009) sowie der Roman Die Ausgelieferten (Neuausgabe, 2011).
Wolfgang Butt, 1937 geboren, arbeitete neben seiner Übersetzertätigkeit als Herausgeber und Lektor. Er hat u. a. Werke von Ingmar Bergmann, Sven Delblanc und August Strindberg ins Deutsche übertragen.
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