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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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adressiert, und im Augenblick ist wohl Michael der rechtmäßige Träger.«
    Emma schmollte, aber Michael war umso erfreuter.
    Na endlich, dachte er.
    Er hob die Kugel an dem Lederriemen in die Höhe. »Was soll ich damit machen?«
    »Wir können sie zerschlagen«, meinte Emma.
    Michael sah entgeistert, dass der Zauberer nickte. »Ihr wärt überrascht, wie viele magische Gegenstände ihre Geheimnisse preisgeben, wenn man sie zerschlägt. Unglücklicherweise wird dadurch auch der Gegenstand zerstört, und wenn er von euren Eltern kommt, wäre es eine Schande, wenn die Botschaft aus irgendeinem Grund verloren ginge. Aber wie auch immer, es ist deine Entscheidung.«
    Michael spürte, dass sie ihn beobachteten. Die Glaskugel fühlte sich leicht an, fast, als sei sie hohl.
    »In Wirklichkeit ist Kate die Älteste«, sagte er schließlich. »Ich werde das aufheben, bis sie wieder da ist.«
    Er war sich dessen bewusst, dass er mit seiner ersten Entscheidung als Ältester der Geschwister die Verantwortung wieder auf Kate übertragen hatte, aber es fühlte sich gut an, auszusprechen, dass er daran glaubte, seine Schwester werde zurückkehren. Es war ein Akt des Vertrauens. Michael lächelte, als er das Lederband um seinen Hals legte.
    »Ausgezeichnet«, sagte der Zauberer. »Ich denke, mittlerweile ist es auch dunkel genug.«
    Dann wandte Dr. Pym der Stadt den Rücken, nahm eine Münze aus seiner Tasche und warf sie ins Wasser. Unmittelbar danach schimmerte die Luft auf und eine Brücke erschien, die sich bogenförmig vom Kai übers Meer wölbte. Sie bestand aus schwarzem Granit und wurde von zwei düster aussehenden Steinfiguren bewacht. Die Statuen waren grob behauen und trugen schwere Steinschwerter in den Händen. Kapuzen und lange Gewänder verbargen Gesichter und Hände.
    »Jenseits dieser Brücke«, sagte der Zauberer, »liegt eine Insel. Seit tausend Jahren begraben dort die Einwohner von Malpesa – sowohl die Menschen als auch die magischen Geschöpfe – ihre Toten. Dort hoffe ich zu finden, weswegen wir gekommen sind. Folgt mir. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Und mit diesen Worten ging er an den steinernen Wächtern vorbei auf die Brücke.
    Es kam Michael so vor, als ob die Luft mit jedem Schritt kälter werden und sie in eine Strömung eintreten würden. Als sie den höchsten Punkt der Bogenbrücke erreicht hatten, sah Michael vor ihnen aus der Dunkelheit die Silhouette einer Insel auftauchen. Der scharfe, salzige Meeresgeruch vermischte sich mit etwas anderem – dem Geruch nach schwarzer Erde, nach Moder und Fäulnis. Auch das diesseitige Ende der Brücke wurde von zwei steinernen Wächtern gehütet. Michael und Emma folgten dem Zauberer, der ungerührt zwischen den Statuen hindurchging und die Insel der Toten betrat.
    Dr. Pym hob die Hand. »Ich brauche einen kleinen Moment, um mich zu orientieren …«
    Die Kinder hielten sich hinter ihm und wagten kaum zu atmen. Von seiner Position aus konnte Michael die Abmessungen der Insel nicht erfassen. Die Gräber und Grüfte – von denen einige mehrere Meter hoch und mit schneebemützten Steinstatuen geschmückt waren – standen dicht an dicht und zogen sich scheinbar bis zum Horizont. Zwischen ihnen führten schmale Wege hindurch. Michael hatte den Eindruck, in einem uralten, verwucherten dunklen Wald zu stehen, aus dessen Dickicht ihn von allen Seiten Augen beobachteten.
    Während sie darauf warteten, dass Dr. Pym den richtigen Weg fand, schob Michael nervös die Hand in seinen Beutel und überprüfte, ob alles da war – sein Notizbuch, Stift, Taschenmesser, Kompass, König Robbies Medaille, sein Zwergenhandbuch, Kaugummi. Nachdem er sich versichert hatte, dass alles an seinem Platz war, fuhr seine Hand zur Brust, wo er nach der runden Glaskugel tastete, die an seinem Hals hing. Es fühlte sich bereits an, als sei sie ein Teil von ihm.
    Eine Wolke schob sich zur Seite, und der Mond überzog die Landschaft mit einem bleichen, unirdischen Licht, das sich in den Schneeflecken widerspiegelte.
    »Hier entlang«, sagte Dr. Pym. »Haltet euch dicht bei mir.« Und er marschierte zwischen den hoch aufragenden Grabsteinen davon.
    Emma und Michael hatten Mühe, ihm zu folgen, denn Dr. Pym schritt mit seinen langen Beinen rasch aus, und folgte einem Weg, den nur er sehen konnte. Es kam Michael so vor, als ob die Gräber immer enger zusammenrückten. Es wurde immer dunkler. Er hatte Angst, dass er oder Emma hinfallen könnten, ohne dass der Zauberer es bemerkte, dass

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