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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Voskuil
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Platz gab, wo nicht schon jemand saß, fiel ihm nichts Besseres ein, als es zu ignorieren.
    „Und was tust du?“, fragte der Junge. Zu Maartens Erleichterung ging er von selbst zum Du über.
    „Ich soll die Kommentare zu den Wichtelmännchen schreiben, aber wenn ich mir die Karten anschaue, sehe ich keine Linie darin.“
    Der junge Mann lachte. „Und ich habe mich noch darauf gefreut, dass du kommen würdest. Weil du mir dann erzählen könntest, wie ich es machen muss, denn du bist wenigstens mit deinem Studium fertig.“
    „Mit dem Studium fertig!“, sagte Maarten lachend. „Das hat doch nichts zu bedeuten.“
    *
    „Ach, Koning“, sagte de Bruin, als Maarten morgens hereinkam, „kannst du kurz auf die Klingel aufpassen? Ich muss mal eben nach drüben.“ „Drüben“, das war das Hauptbüro, ein monumentales Gebäude mit vier Stockwerken. De Bruin hatte dort gearbeitet, bevor er zu Beerta versetzt worden war. Beerta hatte dort, als Maarten noch studierte, ebenfalls ein Zimmer gehabt, später zwei, bis das alte Schulgebäude im Garten für ihn und seine sich ausdehnende Belegschaft freigemacht worden war. Maarten hatte ihm noch beim Umzug geholfen, weil er damals gerade studentische Hilfskraft war.
    Während de Bruin sich durch den Flur entfernte, setzte Maarten sich auf einen Stuhl in dem Verschlag und wartete. Der Verschlag hatte ein Fenster aus Milchglas. Außer dem kleinen Gasherd mit dem Aluminiumkessel standen dort ein Küchentisch, zwei alte Stühle und ein Schränkchen. Über dem Tisch hing ein Bürokalender und daneben, etwas höher, die Abbildung eines Segelschiffs auf hoher See, mitgeblähten Segeln. Das Bild erinnerte Maarten an eine ähnliche Abbildung, die er als Junge an der Wand seines Zimmers gehabt hatte. Sehr viel tiefer, knapp über dem Tisch, war das ziemlich vergilbte Zeitungsfoto einer Fußballmannschaft angeheftet worden. Auf dem Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch mit einem Falzbein. Eine der Aufgaben de Bruins war das Aufschneiden neuer Bücher. Es stand dort auch noch ein Leimtopf, daneben lagen eine Schere, eine Schachtel Heftzwecken, eine Rolle Klebeband und eine Ausgabe der sozialdemokratischen Zeitung
Het Vrije Volk
. Neben dem Gasherd standen eine Flasche Kaffee-Extrakt, die mit einem Pfropf aus Papier verschlossen war, sowie eine geöffnete Dose Buisman-Zuckerextrakt. Im Schränkchen waren Tassen und Teller gestapelt. Maarten betrachtete sie und lauschte zugleich den gedämpften Geräuschen der Straße hinter der Eingangstür: Schritte, die vorbeigingen, der Lärm eines Motorrads. Von dem allen ging eine große Ruhe aus, und er spürte ein vages Verlangen nach einem Leben wie dem von de Bruin, einfach, klar, ohne Ansprüche. Obwohl er darauf wartete, erschrak er, als es schellte. Gleichzeitig wurde gegen die Tür gepoltert. Während er auf den Türöffner drückte, schaute er um die Ecke des Verschlags und sah einen Schatten hinter der Scheibe aus Milchglas. Als die Tür aufging, stand dort ein gekrümmter, missgestalteter Mann, der sich an beiden Pfosten festhielt, seine Beine schräg auseinander. „Ist Cor nicht da?“, fragte er.
    „Der ist drüben.“
    „Willst du meinen Rollstuhl dann eben reinbringen?“ Seine Stimme war heiser. Es klang wie ein Befehl.
    Während Maarten ihm entgegeneilte, zog sich der Mann in den Flur hinein, griff mit ausholenden Bewegungen nach den Seitenteilen des Bücherregals, das von der Tür bis zum Ende des Flurs reichte, und setzte, mit den Armen rudernd und sich vorwärts ziehend, dabei überall Halt suchend, seinen Weg fort.
    Maarten fand vor der Tür einen Rollstuhl und holte ihn herein. „Wo soll ich ihn lassen?“, fragte er.
    „Ist mir schnuppe“, antwortete der Mann grob, er keuchte vor Anstrengung. „Schmeiß ihn da mal irgendwo hin.“
    Maarten ließ den Rollstuhl in der Ecke neben dem Bücherregal stehen und ging langsam hinter ihm her, unsicher, was von ihm nun erwartet wurde. Gerade in dem Moment, als der Mann am Ende des Flurs die Gartentür erreicht hatte, kam de Bruin herein.
    „So, Corretje“, sagte der Mann.
    „So, Jantje“, antwortete de Bruin. „Wie geht’s, alter Schwede?“
    Der Mann verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln, doch ohne Freude. „Beschissen“, keuchte er. Er blieb in der geöffneten Tür des ersten Raums stehen, um zu Atem zu kommen, und krallte sich dabei wie ein Affe mit ausgestreckten Armen links und rechts fest. Danach arbeitete er sich zu seinem Schreibtisch vor, hinter dem von

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