Das Büro
fiel sein Blick auf eine andere Passage auf derselben Seite, ebenfalls unter
Haar: eine bestimmte Sorte widerstandsfähigen Grases, die auf feuchten Böden wächst, lat. Trichodium caninum (van Hall, Landh. Flora 253). Dieses Gewächs heißt auch
Haard oder
Haardgras
. Er schlug die Begriffe nach, blätterte wieder zurück und fand dann auch noch, eine Seite weiter:
Das rote Haar, eine bestimmte rötlich-zartblättrige Wasserpflanze, die sich an Kaimauern, Kähnen usw. festsetzt und während einiger Wochen im Sommer wächst
. Das gefiel ihm schon besser. Keine Bataver! Gras! Mit einem bösartigen Vergnügen beugte er sich erneut über die Schreibmaschine, schob den Wagen nach rechts, um einen neuen Absatz zu beginnen, und tippte:
Im Übrigen frage ich mich, ob mit „rotem Haar“ in der zweiten von Ihnen angeführten Redewendung wirklich „Menschenhaar“ gemeint ist oder aber die Grassorte „Haar“, „Haard“, „Haardgras“ (lat. Trichodium caninum), die auf feuchten Böden wächst.
Er stockte erneut. War dieses Gras vielleicht auch rötlich, genau wie die Wasserpflanze? Unwillkürlich blickte er um sich. Er hätte jetzt ein Pflanzenbestimmungsbuch gebrauchen können, hatte aber keine Lust, wieder aufzustehen.
Ist diese Grassorte vielleicht rötlich, ebenso wie die Wasserpflanze, die als „rotes Haar“ bezeichnet wird? Dann hätten wir damit eine andere und m. E. annehmbarere Erklärung für die von Ihnen gehörte Redewendung. Von regionalen Unterschieden im Gebrauch dieser Redewendung ist mir jedenfalls nichts bekannt. Hochachtungsvoll, M. Koning. P. S.: Ihre Briefmarke sende ich Ihnen beiliegend wieder zurück, da unser Büro Portofreiheit genießt
. Zufrieden las er den Brief noch einmal durch, brachte das Buch zurück, tippte den Umschlag und setzte sich wieder hinter seinenSchreibtisch, wo er den Rest des Nachmittags mit dem Durchlesen der Fragebogen zubrachte.
Beerta kam gegen vier zurück. Er legte seine Tasche auf eine ausziehbare Platte, die sich seitlich an seinem Schreibtisch befand, und kämmte sein Haar im Taschenspiegel. Maarten wartete, bis er alles wieder verstaut hatte, und gab ihm dann den Brief. „Er ist natürlich ein Idiot“, sagte er.
„Auch Idioten muss man ernst nehmen“, antwortete Beerta. „Idioten können sehr gefährlich sein.“ Während er den Brief las, wippte er langsam auf seinen Zehen und rieb seine Lippen übereinander. „Ein Brief muss wie ein Block sein. Er nahm den Durchschlag eines Briefs aus seiner Mappe und legte ihn vor Maarten hin. „So.“ Es war ein kleines typographisches Meisterwerk. Nicht nur fingen alle Zeilen von der Anrede bis zum abschließenden Satz auf derselben gedachten Randlinie an, sondern sie brachen rechts auch an nahezu derselben Stelle ab, außer bei der letzten Zeile, die exakt den Platz aussparte, an dem etwas tiefer „Hochachtungsvoll“ stand. Verglichen damit war Maartens Brief ein wildes Durcheinander, mit durchgeixten Buchstaben und Zeilen von unterschiedlicher Länge, die außerdem ein paarmal hinter einer anderen Randlinie anfingen.
„Hast du übrigens daran gedacht, deinen Brief mit zwei Durchschlägen zu tippen?“, fragte Beerta, ohne seinen Kommentar abzuwarten.
„Warum mit zwei Durchschlägen?“
„Wenn so ein Mann später behauptet, dass er den Brief nicht bekommen hat, kannst du ihm den Durchschlag zeigen.“
„Das ist doch kein Beweis.“
„Für mich ist das ein Beweis“, sagte Beerta mit Nachdruck. Es war klar, dass er in diesem Punkt keinen Widerspruch duldete. „Und eigentlich solltest du dir auch ein Korrespondenzbuch anlegen, so wie ich. Das hat mir schon viel Freude bereitet.“
„Aber wie finden Sie den Brief?“
Beerta nahm den Brief wieder zur Hand und las ihn erneut durch.
„
Stoett
hat nichts“, sagte Maarten, um der Frage zuvorzukommen.„Ich bin davon ausgegangen, dass in den älteren Sprichwörterbüchern dann wohl auch nichts stehen wird.“
„Eine wichtige Frage“, sagte Beerta, als läse er den Brief erst jetzt. Es war nicht klar, ob er es auch wirklich meinte oder ob er ihn ärgern wollte. „Du solltest dir das eigentlich notieren. Vielleicht können wir mal in einem unserer Fragebogen eine Frage dazu stellen.“ Er sah Maarten über seine Brille hinweg an. „Ich hatte dich ohnehin bereits fragen wollen, ob du dir mal Gedanken über den neuen Fragebogen machen kannst. Ich hatte selbst schon an einen zur Volksheilkunde gedacht. Da würde die Frage gut
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