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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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aufgeklärt und tolerant eingeschätzt hätte. Aber es ging einfach nicht, dass eine Frau, und wenn man sie noch so liebte, einen Mann vor seinen besten Freunden derart brüskierte. Traditionen hin, Traditionen her, irgendwo war eine Grenze!
    Aber verdammt! Warum fühlte er dann in sich so etwas wie ein schlechtes Gewissen?
     
    Vera bog um den Felssporn und ging die Betonstraße zu dem Bootshaus, das neben der Mole auf Stelzen in das Meer hinaus gebaut war, und wo ein Rennboot lag, das es mit seinen beiden kraftvollen Motoren auf deutlich über 100 km/h brachte, einen erfahrenen Piloten und ruhiges Wasser vorausgesetzt.
    Das Boot hatte Platz für fünf Personen und war vor allem für Notfälle gedacht, zum Beispiel wenn eine schnelle Überfahrt nach Rhodos nötig war oder aber auch für einen Besuch auf einer Nachbarinsel, die von einer regulären Schifffahrtslinie nicht bedient wurde.
    Ioannis saß im Schatten des Hauses und blickte aufs Meer hinaus. Er bemerkte Vera nicht, die sich barfuß von hinten anschlich. Erst als der Uferkies unter ihren Füßen knirschte, wandte er den Kopf. Vera stand über ihm und sah auf ihn herab.
    Ioannis verzog keine Miene und drehte wortlos den Kopf wieder Richtung Meer.
    „Entschuldigen Sie, ist hier noch Platz?“
    Unwillkürlich hatte Vera ihre Stimmlage auf die eines kleinen Mädchens angehoben. Sie hätte sich sogleich dafür ohrfeigen können.
    Ioannis nickte stumm.
    Sie setzte sich neben ihn. So dicht, wie möglich, aber noch nicht mit Körperkontakt.
    Dann blickte auch sie schweigend aufs Meer hinaus.
    Nach einiger Zeit spürte sie eine Art Prickeln auf der Wange. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Ioannis sie ebenfalls aus den Augenwinkeln verstohlen, aber umso intensiver betrachtete.
    „Jetzt bloß keine Schwäche zeigen!“, meldete ihre Vernunft.
    „Jetzt bloß keine Schwäche zeigen!“, das hatte sich auch Ioannis geschworen.
    Er war hin- und her gerissen zwischen seiner Liebe zu Vera und den Denkmustern seiner Erziehung, in der ihm das überholte Verhältnis zwischen Mann und Frau eingeimpft worden war.
    Seine Zeit als Student in Athen hatte ihn zwar veranlasst, vieles von dem Althergebrachten über Bord zu werfen - dafür hatten schon die kessen Studentinnen an der Universität gesorgt, die zum Großteil aus Athen oder Thessaloniki und entsprechend modern und emanzipiert waren, aber so ganz hatte er die alte Rollenverteilung und die dahinter stehende Denkweise noch nicht abgestreift.
    Darin lag letztendlich auch sein Ausbruch von vorhin begründet. Darin und in seiner Sorge um seine geliebte Vera, die er schon einmal unwissentlich großer Gefahr ausgesetzt hatte. Das sollte nicht noch einmal passieren, das hatte er sich geschworen.
    Wie konnte er das diesem blonden Dickkopf nur beibringen?
    Er holte tief Luft und drehte sich zu Vera hin. „Kali mou“ hatte er eigentlich sagen wollen. Bis zum „Kali…“ kam er.
    Denn dann zeigte die ach so vernünftige Vera ganz große Schwäche und warf sich regelrecht auf ihn.
    Eng umschlungen rollten sie über den Strand und schließlich in das flache Wasser der Uferzone. Sie kam rittlings auf ihm zu sitzen. Ihre ausgestreckten Arme nagelten die seinen in dem feinen Kies fest, ihr Gesicht war eine Handbreit von seinem entfernt.
    „Du mieser kleiner Macho-Schuft!“
    „Emanzenzicke!“
    Er bäumte sich auf und warf sich zusammen mit Vera herum. Jetzt saß er oben.
    „Beratungsresistenter Sturkopf!“
    „Pah! Selbstverliebter Griechengockel!“
    Sie versuchte freizukommen, er drückte sie wieder zurück. Der verbale Schlagabtausch ging weiter.
    „Du bist eine Möchtegern-Lara Croft!“
    „Und du ein frauenfeindliches Traditionsfossil!“
    Sie wand sich, klatschnass von oben bis unten, wie ein Aal unter ihm. Ihre Bewegungen und das nasse T-Shirt, das an ihrem Oberkörper klebte und so gut wie durchsichtig war, erregten ihn.
    Ihr eher spielerischer Ringkampf, den sie beide instinktiv gewählt hatten, um ihre gegenseitigen Aggressionen abzubauen, begann, ihm Spaß zu machen.
    Ihr offensichtlich auch, denn sie keuchte allmählich mehr, als es die körperliche Anstrengung, sich frei zu kämpfen, eigentlich notwendig gemacht hätte.
    Sie hielten beide inne und blickten sich betont finster an. Eine störrische Haarsträhne fiel in sein Gesicht und sie verspürte den impulsiven Wunsch, sie zur Seite zu wischen, wie sie es schon öfter getan hatte, aber sie lag immer noch wie gekreuzigt unter ihm.
    „Lass mich los, du Scheusal!

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