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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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kann!“, herrschte er Tessal an. Der gehorchte und ließ die Arme sinken. N’gahar begann, den Verband abzuwickeln. Schließlich lagen die Augen von Tessal oder besser, das was von ihnen noch übrig war, frei.
    Die anderen sechs Priester waren auf einen Wink von N’gahar heran getreten. Inzwischen hatten sie sich an den grausigen Anblick der geblendeten Augen gewöhnt, die wie das Weiße gekochter Eier in ihren Höhlen lagen.
    N’gahar legte seine beiden Handflächen auf die Augenpartie in Tessals Gesicht. Er senkte den Kopf und sprach leise, unverständliche Worte.
    Tessal zuckte zusammen, dann begann er zu stöhnen. Aus dem Stöhnen wurden Schreie, er begann, um sich zu schlagen.
    „Haltet ihn fest!“, befahl N’gahar den Umstehenden.
    Von allen Seiten griffen Priester nach Tessal und versuchten, ihn an den Armen, Beinen und dem Kopf zu immobilisieren. Trotzdem warf es den Körper des Gequälten wie unter Krämpfen hin und her.
    Die Schmerzen mussten unmenschlich sein.
    Die Schreie wurden lauter und gingen schließlich in unartikuliertes Gebrüll über.
    Auf der Liege nebenan presste Warad-al-hif seine Hände gegen die Ohren. Er musste mit anhören, was gleich ihm widerfahren würde.
    Schließlich erstarben die Schreie und Abwehrbewegungen von Tessal. Eine gnädige Ohnmacht hatte ihn mit sich genommen.
    N’gahar nahm die Hände von Tessals Gesicht. Dessen Augenhöhlen waren mit einer weißlich-trüben Flüssigkeit gefüllt, die toten Augen hatten sich verflüssigt.
    N’gahar nahm Tessals Kopf zwischen seine Hände und drehte in ruckartig nach links und rechts. Die Flüssigkeit schwappte in Ekel erregender Weise aus den Höhlen wie aus überlaufenden Tassen.
    N’gahar griff zu einem Tuch und wischte die leeren Höhlen mit groben Bewegungen aus. So, wie man ein Gefäß nach dem Abspülen auswischen würde.
    Er legte seine Hände wieder auf die leeren Höhlen, mit denen Tessals Gesicht einem Totenschädel ähnelte und begann erneut, unverständliche Worte zu murmeln. Nach einigen Minuten nahm er die Hände wieder ab und drehte sich mit einer gelangweilt wirkenden Miene zur Seite.
    Die Priester beugten sich vor. Ehrfurcht und Staunen zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab, denn auf dem Grund der leeren Augenhöhlen waren zwei Augen zu sehen.
    Jedes nicht größer als eine Erbse, aber voll ausgebildet.
    Die umstehenden Priester starrten weiterhin stumm auf dieses Wunder.
    „Seine neuen Augen werden in zwei Tagen aus dem Sehnerv herangewachsen sein, dann wird er wieder sehen können wie früher“, sagte N’gahar lakonisch und selbstgefällig.
    So, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, wenn ein Auge aus dem Sehnerv nachwächst.
    Er war sehr zufrieden mit sich. Für ihn war es unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die ihm Sachmets Heilkünste gaben, nicht mehr als ein Taschenspielertrick gewesen, aber für seine Priester war er wieder einmal der gottgleiche Hohepriester, der Zauberer mit den uneingeschränkten Möglichkeiten und Kräften.
    Seine Stellung innerhalb der Gruppe war sicherer denn je.
    Zufrieden wandte er sich der Liege Warad-al-hifs zu.
    „So mein Freund, jetzt bist du an der Reihe!“, sagte er kalt lächelnd.
    Samsin lachte roh.
    „Ich weiß schon, warum ich auf ein neues Auge verzichtet habe!“
    Warad-al-hif begann bei diesen Worten zu wimmern wie ein Kind.
     
    ΦΦ ΦΦ
     
    Schwer atmend und eng umschlungen lagen Vera und Ioannis am Ufer des Meeres. Eine sanfte Dünung rollte über sie hinweg. Er küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze.
    „Ioannis?“ Ihre Hand spielte mit einer seiner Haarsträhnen, zwirbelte sie um den Zeigefinger und ließ sie noch lockiger werden.
    „Hmm?“ Er hatte den Kopf zwischen ihre Brüste gebettet. Sein Bart kratzte.
    „Glaubst du, wir haben eine Chance? Mit ‚wir’ meine ich uns zwei, nicht den Ort.“
    Er hob ruckartig den Kopf und sah sie an.
    „Warum differenzierst du das?“
    „Ich denke an den letzten Vers der Prophezeiung.
     
    Vergeht der letzte Diener
    Des falschen Dieners
    Werden die göttlichen Schwestern
    Wieder vereint
    Sanftmut nimmt den Zorn in sich auf
    Und das Eiland wird verglühen
    Wenn dieser Tag sich neigt
     
    Das heißt doch, wenn es uns gelingt, alle Angriffe abzuwehren oder noch besser: die Angreifer zu vernichten, kommt es zur Fusion der Göttinnen und die Insel wird untergehen. Gelingt uns die Abwehr nicht, werden Choriogatos und Illasandria dem Erdboden gleichgemacht und letztendlich schwingt sich

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