Das Dorf der Katzen
oben führte. Vera lugte hinein. Der Riss gehörte zu einem schmalen Kamin, der ins Freie führte; sie sah ein Stück Nachthimmel.
Der Kamin war ziemlich kurz, also war ihr Gefängnis nicht allzu tief im Berg. Aber selbst wenn es nur ein halber Meter gewesen wäre, sie hätte nicht ausbrechen können.
Vera setzte sich resignierend auf den blanken Boden und lehnte sich an den Fels hinter ihr. Die Tatsache, dass sie nicht schon am Jeep umgebracht worden war, gab ihr zwar ein wenig Hoffnung dahingehend, dass ihr Tod nicht das unmittelbare Ziel dieser Bestien war, aber zunächst war sie hier lebendig begraben.
ΦΦ ΦΦ
Die erste Nacht in Rhodos hatte Ioannis noch tief und ruhig geschlafen. Er war zufrieden mit dem bisher Erreichten.
Aber im Verlauf des folgenden Tages bemächtigte sich eine wachsende Unruhe seiner Psyche. Es gab dafür keinen äußeren Anlass - an sich hatte er sich auf diesen freien Tag ohne konkrete Verpflichtungen gefreut, nachdem zunächst alles Nötige erledigt oder auf den Weg gebracht worden war, aber eine stetig zunehmende, innere Rastlosigkeit, gepaart mit einem Beklemmungsgefühl trieb ihn um. Seine Gedanken kreisten jetzt fast pausenlos um Choriogatos, Vera und die Prophezeiung.
Was, wenn er sie nicht richtig interpretiert hatte, wenn er sich geirrt hatte?
War es nicht vermessen, zu glauben, dass er das Rätsel um die finale Waffe gelöst hatte? War das da am Strand überhaupt das Finden der Lösung gewesen, oder war er nur blindlings der erstbesten neuen Idee nachgerannt?
Er lief durch die Stadt, um, wie geplant, alte Freunde oder Bekannte zu treffen, machte hier ein Schwätzchen, trank dort einen Ellinikos oder ein Glas Wein und aß auch etwas in einer Taverne. Kurz, er suchte Ablenkung und Zerstreuung, aber er war den ganzen Tag nicht recht bei der Sache. Das Karussell der Gedanken drehte sich unablässig weiter in seinem Kopf.
Als er am Vorabend seiner Rückfahrt in der Küche seines Onkels saß und auf den Tag zurückblickte, konnte er nicht einmal mehr mit Gewissheit sagen, wen er wo getroffen und wo und was er zu Mittag gegessen hatte. Er musste reichlich geistesabwesend gewesen sein.
Und er war es immer noch. Er schlang wortlos die köstliche Moussaka hinunter, die eigentlich sein Leibgericht war und die nur seine Tante so zubereiten konnte. Ein Gespräch mit ihr und ihrem Mann, dem Bruder seines Vaters, mochte nicht so recht zustandekommen.
Ioannis war in sich gekehrt und maulfaul.
Er wollte nur möglichst schnell ins Bett und schlafen, damit die Zeit verging und er morgen Vormittag wieder aufbrechen konnte.
Als er dann schließlich in seinem Bett lag, konnte er nicht einschlafen. Ruhelos wälzte er sich hin und her. Seine Phantasie gaukelte ihm immer neue Bilder und Szenen vor, seine Gedanken drifteten auf Abwegen umher und über allem stand immer diese Unruhe, dieses Gefühl der Ohnmacht gegenüber einer Situation, die ihn bedrängte, aber die er nicht greifen konnte, der er sich nicht stellen konnte. Es war eine unerklärliche Ahnung, die ihn marterte.
Etwa zur gleichen Zeit, als Ioannis im weit entfernten Rhodos keinen Schlaf finden konnte, weil ihn Visionen und Ängste heimsuchten, befand Vera sich bereits in der Gewalt der Ch’quar und sah einem ungewissen Schicksal entgegen…
ΦΦ ΦΦ
Gizmo konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so viel gerannt war und zu so vielen anderen gesprochen hatte. Er war die letzten zwölf Stunden, eine geschlagene Nacht lang, durch ganz Illasandria und die nähere Umgebung getigert und hatte versucht, so viele der örtlichen Katzen aufzustöbern, wie nur möglich.
Am Morgen des nächsten Tages hatte er es schließlich geschafft, dass sich sage und schreibe einhundertsechsundvierzig ausgewachsene Kater und Kätzinnen in dem halb verfallenen Schulhaus versammelten. Es war eine bunte Mischung aus wohlgenährten Hauskatzen und ihren halb oder ganz verwilderten Artgenossen, die sich nicht in die menschliche Obhut begeben wollten, sondern lieber frei auf der Insel herumstreiften.
Er hatte sich vor die Meute gestellt und ihnen kurz und unmissverständlich klar gemacht, wo in den nächsten Tagen ihr Platz war.
Alle hatten sich gebeugt und würden Bastets Ruf folgen.
Es wurde ein Dutzend erfahrener Kätzinnen bestimmt, die zurückbleiben mussten und dafür zu sorgen hatten, dass die zwei jüngsten Generationen auf das Schiff und damit in Sicherheit kamen.
Dieser Teil des Plans wurde dann am nächsten Tag mit
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