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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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Ich habe das Gefühl, mir platzt gleich der Kopf.
    „Ist gut“, sagte Ioannis und half ihr beim Aufstehen vom Boden. Gehen wir nach oben, damit du alles bekommst, was du jetzt brauchst.“
    Er zwinkerte ihr zu. „Wir haben hier auch Duschen mit festen Glastüren.“
     
    Zwei Stunden später hatte sich Vera so einigermaßen erholt. Ioannis war zum Jeep zurück gegangen, der noch auf der Anhöhe stand und hatte ihn nach Choriogatos gefahren. Dankbar nahm Vera ihren Koffer entgegen.
    „War doch gut, ihn mitgenommen zu haben“, dachte sie, als sie in frische Kleidung schlüpfen konnte. Ihre Jeans und das Shirt hatten unter den Ereignissen der letzten Stunden ziemlich gelitten.
    Sofort hatte sich Grisoula, eine resolute Frau aus dem Dorf, trotz der schwachen Proteste von Vera die verschmutzten Sachen gegriffen und versprochen, sie zu waschen.
    „Wenn dir zwischenzeitlich die Wäsche ausgehen sollte - ich helfe dir gerne aus“, hatte sie noch gesagt.
    Eine Vorstellung, die Vera dann doch amüsierte: Grisoula war einen Kopf kleiner, aber fast doppelt so breit wie sie.
     
    ΦΦ ΦΦ
     
    Als Leiter der Wasservergabebehörde hatte Samsin einen verantwortungsvollen und mit Macht versehenen Beruf und er war sich dessen durchaus bewusst.
    Vielleicht etwas zu bewusst, was die Macht betraf. Denn er war bestechlich und korrupt geworden. Für genügend Geld unter der Schreibtischplatte gereicht, war er stets bereit, ausgiebige Sonderrechte bei der Wasservergabe und -nutzung einzuräumen.
    Die Leidtragenden waren die kleinen Bauern, deren Felder regelmäßig am Vertrocknen waren, während die Ländereien der Großgrundbesitzer über reichlich Wasser verfügten.
    Klagen der Kleinbauern hatte Samsin regelmäßig abgeschmettert. Er hatte unverhohlen gedroht, ihnen die Wasserrationen noch mehr zu kürzen oder ganz abzuschneiden, falls sie mit ihrem Gejammer nicht aufhören würden.
    Samsin hatte seine Vergangenheit völlig vergessen: Noch sein Vater war ein kleiner Bauer gewesen, der sich buchstäblich kaputt gearbeitet hatte, um seinem Sohn eine höhere Schulbildung und damit ein besseres Leben zu ermöglichen.
    Samsin hatte sich als ehrgeizig entpuppt und die Chancen so genutzt, wie sie ihm geboten wurden. Jetzt, mit nicht einmal dreißig Jahren, hatte er es schon verdammt weit gebracht.
    Der Meinung waren die Kleinbauern auch, die schließlich eines Nachts mit Fackeln vor seinem Haus aufzogen, die Haustür einschlugen und ihn aus dem Bett zerrten. Er wurde gefesselt und geknebelt und in einen Nebenraum geschleppt. Seine Frau banden sie im Bett fest. Was sie dann mit ihr taten, musste er hilflos mit anhören. Dann schlugen sie ihn halb tot und fuhren mit ihm vor die Stadt, wo sie ihn in einen trockenen Brunnenschacht warfen.
    „Jetzt versuch’ mal, Wasser zu verschachern“, war das Letzte, was er von oben hörte. Dann wurde er bewusstlos.
    Wie lange er so auf dem Grund des Brunnens gelegen hatte, wusste er nicht, nur dass es schon Tag sein musste, denn das Rund der Brunnenöffnung über ihm war hell. Recht viel mehr als hell oder dunkel und die gemauerte Wand um sich herum konnte er mit seinem einen blutunterlaufenen Auge nicht erkennen. Das andere war sowieso völlig zugeschwollen. Ein paar Rippen, der Kiefer und das Nasenbein waren wohl gebrochen, ebenso sein linkes Handgelenk, wie er schmerzvoll stöhnend feststellte, als er sich mit der Hand an der Brunnenwand abstützen wollte. Von einer Platzwunde am Kopf war Blut über sein Gesicht gelaufen und mittlerweile zu einer klebrigen Kruste getrocknet. Sein Körper musste furchtbar aussehen, jedenfalls fühlte er sich so an. Vermutlich grün und blau geschlagen, voller Wunden und Abschürfungen.
    Verfluchtes Bauernpack! Er würde sie alle einzeln fertig machen, wenn er hier wieder heraus war!
    Das machte ihm schlagartig seine Situation bewusst: er befand sich auf dem Grund eines einige Meter tiefen, ausgetrockneten Brunnens. Und ganz bestimmt lag dieser Brunnen nicht in einer belebten Gegend!
    Diese elenden Hungerleider, dieses Lumpenpack wollte ihn hier unten verrecken lassen!
    Sein Zorn schlug in blankes Entsetzen um. Er schrie gequält auf.
    Er hatte dann alles probiert. Um Hilfe gerufen. Mit seiner gesunden Hand die Brunnenwand nach einem Ausgang abgeklopft. Versucht, sich an der Wand nach oben zu stemmen. Es hatte nichts gebracht, nichts geholfen. Er war hier unten gefangen und er würde hier unten krepieren wie ein Hund.
    Schließlich gab er auf. Er setzte sich auf den

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