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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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Katerkörper.
    Vera hob den zerschundenen Leib unendlich vorsichtig hoch. Sie drückte Protos an sich und ignorierte dabei völlig, dass sie sich mit seinem Blut beschmierte. Wie betäubt stieg sie über einen heruntergebrochenen Dachbalken und ging zur Tür hinaus.
     
    Ioannis und die Männer hatten sich gerade in Bewegung gesetzt, die drei Wächter tief geduckt und lauernd voraus, als in der Türöffnung mit dem zerfledderten Laken davor eine Bewegung zu sehen war. Die Wächter gingen augenblicklich in Sprungstellung und die Männer rissen ihre Gewehre hoch.
    „Halt! Es ist Vera!“, rief Ioannis hastig.
    Vera schritt langsam auf die Männer zu. Sie hielt sich kerzengerade aufrecht, ihr Blick ging durch die Männer hindurch, irgendwo hin. Sie sah schrecklich aus. Dreckverschmiert, Schweiß- und Tränenspuren im Gesicht.
    Alle sahen, dass sie ein blutiges Bündel auf den Armen trug, dass ihr dessen Blut über Brust und Bauch lief. Oder war es ihr Blut? Niemand sagte ein Wort.
    Bei der schweigenden, wie versteinert dastehenden Gruppe angekommen, sank Vera wieder auf die Knie und legte Protos vorsichtig vor Tetartos, Defteros und Trito auf den Boden.
    „Er hat um mein Leben gekämpft“, sagte sie so leise, dass es nur die Umstehenden hörten. „Und er ist nicht umsonst gestorben.“
    Tetartos, Defteros und Trito umringten ihren toten Gefährten. Dann leckten sie nacheinander vorsichtig über das fast unversehrt gebliebene Gesicht von Protos und erwiesen ihm damit ihre letzte Ehre.
    Vera richtete sich wie unter Schmerzen wieder auf. Dann ging sie schleppend die noch fehlenden zwei Schritte auf Ioannis zu und legte ihre Arme um seinen Hals. Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter und brach in krampfhaftes Schluchzen aus.
     
    Es war ein trauriger Zug, der sich geraume Zeit später vom Tempel aus wieder zurück ins Dorf bewegte. Ioannis und Trevor gingen voran, zwischen sich Vera, die sie mehr trugen als stützten.
    Dahinter die drei Wächter, die mit hängenden Köpfen dahintrotteten, dann die restlichen Männer.
    Protos hatten sie mit einigen rasch abgebrochenen Oleanderzweigen bedeckt direkt neben dem Tempeleingang begraben und einen Hügel aus Steinen über ihm errichtet.
    Es war ein regelrechtes Mausoleum geworden, eines tapferen Wächters würdig.
     
    In Choriogatos hatten mittlerweile die Rettungs- und Aufräumarbeiten begonnen und die langsam aufgehende Sonne beleuchtete ein entsetzliches Bild.
    Die Bewohner des einst so friedlichen Orts waren buchstäblich über Nacht mit den Gewalten von Tod und Zerstörung konfrontiert worden. Es spielten sich tragische und erschütternde Szenen ab, als die fünfzehn Toten der Nacht geborgen und identifiziert werden mussten, was bei einigen aufgrund ihres furchtbaren Zustands sehr schwer zu ertragen war. Der Tag war angefüllt mit Weinen und Trauer.
    Die materiellen Schäden im Ort waren im Vergleich hierzu eher gering. Zwar gab es viel zerschlagenes Mobiliar in den Häusern, einen halb abgebrannten Vorratsschuppen; aber das bedeutete letztlich so gut wie nichts im Vergleich zu der Zahl an Opfern unter den Wissenden und Abbildern.
    Und zum Tod von Protos.
    Schließlich hatte man die Toten noch am gleichen Abend mit einer schlichten, aber sehr bewegenden Zeremonie außerhalb des Dorfs bestattet. Der Priester des Dorfs fand schöne, konfessionsübergreifende Worte.
    Die umgekommenen Abbilder, Opfer des Ch’quar, erhielten ihren letzten Ruheplatz neben Protos beim Tempel. Auch für sie wurde aus Steinen ein Grabhügel errichtet.
    Eine gespenstische Ruhe senkte sich über Choriogatos.
    Keiner wusste, wie lange sie anhalten würde.
     

 
    ΦΦ ΦΦ
     
    So ihr sie schließlich bekämpft
    Mit Speeren zerfallenden Erzes
    Werden sie verderben
    Und verstreuen ihr Leben
     
    Ioannis hatte Vera vom Tempel aus direkt in sein Haus geführt und liebevoll zu Bett gebracht. Eine Tablette half ihr einzuschlafen. Im Laufe des Tages sah er ab und zu nach ihr, bis er am frühen Nachmittag feststellte, dass sie wach war.
    Er bereitete ihr eine Kleinigkeit zu essen. Abgeschlagen und lustlos stocherte sie darin herum, trank aber eine Flasche Wasser und dann ein Glas Wein.
    „Ich fühle mich wie eine uralte Frau“, sagte sie schließlich, „ausgebrannt, erschöpft und am Ende. Ich habe keine Energie mehr, um weiter zu machen.“
    Er setzte sich zu ihr. Zärtlich streichelte er ihre Wange.
    „Du bist noch müde, mein Liebes“, sagte er. Du musst jetzt viel schlafen und dich erholen. Ian

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