Das Dorf der Katzen
hat mir gesagt, dass seiner Meinung nach die Projektion eines derart starken Feuerfeldes, wie du es gemacht hast, so anstrengend wie ein Marathonlauf sein könnte.“
Vera lächelte schwach.
„Den wollte ich schon immer mal machen“, murmelte sie.
Dann war sie wieder eingeschlafen.
Das Schlafmittel in dem Wein, das ihr Ioannis auf Anraten des Dorfarztes untergeschmuggelt hatte, wirkte sehr schnell auf ihren geschwächten Organismus.
Sorgsam deckte Ioannis sie zu. Er stand neben ihr und blickte auf sie herab. Was für eine wunderbare Frau! Was für eine wunderbare, starke Frau!
Dann wandte er sich langsam ab und zog sich für die Trauerfeier um.
Vera schlief die ganze Nacht durch.
Als sie am nächsten Tag aufwachte, fühlte sie sich zwar körperlich ausgeruhter, aber sie war wie betäubt. Sie hatte sich nicht nur physisch sondern auch psychisch übermäßig verausgabt. Außerdem brannten ihr einige Fragen auf der Zunge. Aber am schwierigsten war es für sie, den Tod von Protos zu verarbeiten.
„Geht es dir besser, kali mou?“
Ioannis hatte sich neben ihr im Bett aufgerichtet.
Sie nickte stumm. Ihre Augen waren voller Trauer.
„Die armen Menschen“, flüsterte sie schließlich, „all die Abbilder und Protos, der arme Protos!“
Ioannis nickte langsam.
„Wir haben die gefallenen Wissenden gestern Abend bestattet“, sagte er. „Es war für viele von uns ein schwerer Gang.“
Vera richtete sich auf und suchte Halt bei ihm, umklammerte seinen Arm.
„Warum? Warum das alles?“
Im gleichen Augenblick wusste sie selbst die Antwort. Alles fiel ihr wieder ein. Sie rollte sich zur Seite aus dem Bett, stieg eilends in ihre Jeans und streifte sich ein T-Shirt über. Dann fuhr sie sich mit den Fingern einer Hand rasch durch ihre kurzen Haare und sagte mit hartem Blick und Nachdruck in der Stimme zu Ioannis:
„Bestell Raffaele, Trevor und Ian, dass wir uns bei o Gerontas treffen müssen. Ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen!“
Ioannis blickte konsterniert auf seine Vera. Noch vor wenigen Augenblicken war sie in einem reichlich elenden Zustand gewesen, und von einer Sekunde auf die andere schien sie ein anderer Mensch geworden zu sein.
Sie stupste Gizmo an, der zusammengerollt am Fußende des Betts lag und derart unsanft geweckt hochschrak.
„Du kommst auch mit!“, sagte sie.
Gizmo gähnte herzhaft und erhob sich steifbeinig. Man hatte es nicht leicht als Stellvertreter und Schatten, vor allem nicht als Schatten dieser Frau!
Sie trafen sich eine halbe Stunde später im „Thronsaal“ von o Gerontas. Vera durchzuckte ein schmerzhafter Stich, als sie den leeren Platz rechts von dem Alten sah.
Protos!
„Du hast uns etwas mitzuteilen?“, fragte o Gerontas, nachdem sie sich auf den Sandboden gesetzt hatten.
„Ja“, sagte Vera knapp.
Dann begann sie zu berichten. Sie schilderte kurz ihren Weg zum Tempel, dann den Kampf zwischen dem Ch’quar und Protos und kam schnell zu dem entscheidenden Punkt, nämlich dem triumphalen Gedankenstrom, den sie nach Protos’ Tod von der Kreatur empfangen hatte.
„Lasst es mich kurz machen“, sagte sie, während sie alle Anwesenden der Reihe nach anblickte.
Ioannis bemerkte wieder mit einer Mischung aus Verwunderung und Stolz die Veränderung, die Vera erfahren hatte. Sie wirkte trotz ihrer Zartheit und scheinbaren Verwundbarkeit plötzlich unglaublich stark, selbstbewusst und energievoll. Alles Mädchenhafte in ihrem Wesen war im Moment wieder von ihr abgefallen. Die Erlebnisse und Erfahrungen der letzten Tage und vor allem der vergangenen Nacht hatten sie zwar gezeichnet, ihr aber auch einen anderen Habitus verliehen.
Fast unmerklich schüttelte Ioannis den Kopf. Die Prophezeiung musste einfach sie schicken. Sie war die einzig Richtige gewesen!
Er blickte zu Trevor hinüber. Dem waren offensichtlich gleiche oder ähnliche Gedanken gekommen, denn er zuckte mit einer hochgezogenen Augenbraue mit dem Mundwinkel und machte eine anerkennende Nickbewegung zu Vera hinüber, die wieder zu sprechen begonnen hatte.
„Die Gedanken lagen klar vor mir, ich konnte sie lesen, wie in einem Buch. Diese Kreaturen oder Ch’quar, wie sie genannt werden, sind ferngesteuert. Sie haben ein Primitivgehirn mit einem gewissen Ego, mehr aber nicht. Alle vernunftgesteuerten Handlungen und Denkweisen kommen von einem übergeordneten Gehirn, einem Steuergehirn sozusagen.
In der Kreatur, die den Tempel angreifen wollte und dabei auf Protos und mich stieß, steckte das
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